Kaniv – Канев

Die Stadt Ukrainka ist total schön. Beinahe schade, dass ich mir nach dem langen Aufenthalt in Kiew jetzt erst mal vorgenommen habe ein zügig weiter zu fahren.

In einem Biergarten am Dnjepr gönne ich mir trotzdem ein Bier. Ein ältere Frau stört etwas. Sie will einfach nicht begreifen, dass ich sie nicht verstehe. Mehrmals versucht sie mir irgendwas zu erzählen. Nervt ein bisschen. Einen Tisch weiter sitzen zwei junge Männer. Einer war schon mal länger in Deutschland. Er kann sich noch an einige Wörter erinnern, und spricht auch russisch so, dass wir uns unterhalten können. Mit manchen Leuten klappt es ganz guten mit meinen Russichkenntnissen, bei anderen bin ich nicht sicher, ob sie Russich oder Ukrainisch sprechen. Manchmal verstehe ich wirklich nicht ein einziges Wort.

Der Ukrainer mit den besseren Deutschkenntnissen beruhigt mich etwas, als er sagt, das auch er Schwierigkeiten hat, die Frau zu verstehen.

Gegen 17:00 Uhr fahre ich weiter. Kurz darauf wird es sehr hügelig. Das erste Schild kündigt 10 % Gefälle an … und das auf Höhe des Dnjepr  :-) .  Aber OK, es geht eben in die andere Richtung. Kann man sich ja denken. Steil berghoch.

Nach einigen auf und ab hält ein PKW kurz vor mir. Ein älteres Paar, die mit ihrem Enkel unterwegs sind, laden mich zu sich nach Hause ein. Es ist nur 200 Meter weiter. Während der 11-jährige Enkel mit mir zu Hause bleibt, müssen die Großeltern nochmal weg. Ich kann duschen und bekomme Abendessen und Kaffee. Danach zeigt mir der Junge auf meinen Wunsch hin das Dorf.

Die beiden Älteren verstehe ich leider auch so gut wie gar nicht.

Die netten, gastfreundschaftlichen Leute, die mich eingeladen haben :-) :

(Für alle Fälle: Da ist kein riesen Berg Gepäck auf dem Anhänger, sondern u.a. mein Hut. Abdecken muss ich die Tasche ohnehin etwas, da sie schwarz ist und sich in der Sonne extrem aufheizt.)

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Два взрослых человека с их внуком, приглашают меня покушать и переночевать в их доме.

The two adults and their grandson invited me to stay at their house for the night.

 

 

 

 

 

 

29.05.2012

Am nächsten Morgen kommt der Junge noch mit, um mir einen schönen Platz mit super Ausblick auf den Dnjepr und eine kleine Kirche zu zeigen.

Die Fahrt dauert wohl etwas länger für ihn als geplant, weil nach ca. 4 km meine dritte Speiche bricht. (Ob es Zufall ist, dass die Speichen immer morgens brechen?)

Ich tausche jetzt die gebrochene Speiche und alle Nachbarspeichen der gebrochenen. Wenn das nicht hilft, werde ich eine neue Felge aus Deutschland brauchen, oder muss mir hier ein anderes Hinterrad kaufen. Damit würde ich dann aber leider auch die gute Nabenschaltung aufgeben. Der Fahrradhersteller enttäuscht mich. Sie haben auf meine Mails nicht geantwortet. Was mich auch besorgt, ist, dass die ausgebauten Speichen einen fühlbaren Grad am Speichenkopf haben (Ich hoffe „Speichenkopf“ ist die richtige Bezeichnung.) Jedesfall nicht am Gewinde, sondern am anderen Ende. Ich vermute, dass kleine, sichtbare Kerben am Nabenflansch von diesem Grad kommen. Die neuen Speichen scheinen nach meinem ersten Eindruck da besser zu sein als die Originale. Was mich daran besorgt ist, dass es bei der Nabe schon mal zu Flansch(ab)rissen kommt. Der Grad an den Speichen soll eine der Ursachen dafür sein. Ohne Ersatzteile aus Deutschland ist das nicht zu reparieren. Und ob ich es beim ersten Versuch selbst richtig machen würde…?

Das Fahrradgeschäft in Köln hatte mir zu jeder Speiche zwei verschiedene Nippel mitgeschickt. (Vielen Dank dafür). Die mit den abgerundeten Köpfen können sich besser ausrichten, sind aber etwas kürzer. Ich soll sie nur verwenden, wenn sie ganz auf’s Gewinde gehen. Passt leider nicht, so dass ich die anderen nehme.

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Всё ещё проблемы со спицами. К счастью, магазин в котором я купил велосипед, прислал мне запчасти в Киев. Но я сомневаюсь что я могу отправиться в тур с этим велосипедом.

 There are still problems with the spokes. Fortunately the shop in which I bought the bike sent some spare parts to Kiev. But I am in doubt as to whether I can continue my tour with this bicycle.

 

 

 

 

 

 

Während ich repariere, fährt der Junge Eis holen. Der Ausblick auf den Dnjepr ist dann wirklich schön. Ich muss später noch die Fotos von meiner anderen Kamera auf den Laptop laden. Die andere Seite des Dnjepr ist hier flach, nicht so hügelig wie meine Seite, aber hier gibt es keine Brücke.

Die Strecke danach ist sehr unterschiedlich. Mal steile Hügel, mal flach. Die Straßen manchmal gut, manchmal katastrophal. Natürlich bin ich besonders auf den schlechten Straßen jetzt sehr nervös. Jedes Geräusch bringt mir die Speichen in Erinnerung. Die dicken Reifen mit ordentlich Profil laufen dicht am Schutzblech lang, so dass schon mal Steinchen im Profil das Schutzblech berühren. Klingt zwar anders als ein Speichenbruch, aber trotzdem …

Hügeliges Gelände:

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Холмистая местность.

Hilly ground.

 

 

 

 

 

 

OK, ich komme unterwegs noch etwas zu Russisch lernen. Es gibt auf der Strecke kaum Verkehr, so dass ich mal wieder Texte vom MP3-Player höre.

Kurz vor Kaniv fange ich an nach einem Platz zu zelten Ausschau zu halten. Hier und da würde es vielleicht gehen, aber ich fahre noch weiter. Es dämmert schon als ich in kaniv bin. Hier bringe ich aber in Erfahrung, dass man direkt am Dnjepr zelten kann. Es ist immer so eine Frage … Nette Kontakte sind schön, aber die ganze Nacht Besoffene am Zelt möchte ich lieber nicht. Nachdem ich einen schönen Platz nicht weit von einem Biergarten gefunden habe, schiebe ich das Rad zunächst nochmal zum Biergarten. Aufbauen werde ich das Zelt später.

Durch das Rad werde ich mehrmals angesprochen, meist so, dass es ganz nett ist. Später komme ich mit Alex, Sveta und Elena ins Gespräch. Alex bietet mir an, mir übermorgen Kaniv zu zeigen. Das möchte ich mir nicht entgehen lassen. Wir tauschen unsere Handynummern aus. Gegen Mitternacht baue ich dann mein Zelt auf. Die Stirnlampe geht nicht an, obwohl ich sie vorhin noch benutzt hatte. Unpraktisch, wenn man nachts sein Zelt aufbaut. Die Batterien gehen nicht mehr richtig, weil zwei ausgelaufen sind. Die Technik verwundert mich. Die Lampe habe ich vor ca. 10 Monaten gekauft und es sind gute Markenbatterien drin. Ist das normal, dass sie nach 10 Monaten schon auslaufen?

Ans Foto denke ich meistens erst, wenn ich das Zelt schon abgebaut habe:

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К сожалению каждое утро после того как я собираю палатку, только тогда я вспоминаю что хотел сфотографировать площадку для палаток. 

Unfortunately every morning I remember that I wanted to take a photo of my camping ground, only after I’ve finished packing my tent.

 

 

 

 

 

 

Baden verboten (zum Glück). Es ist nicht direkt der Fluss, sondern irgend so ein Seitenarm, der zu einer Schleuse führt:

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Какая удача – Купаться запрещено.

What luck. Swimming not allowed. It’s not the Dnepr, but a small branch, next to my camping site.

 

 

 

 

 

 

Da haben wir abends gesessen:

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Прошлым вечером я познакомился здесь с Андреем, Светой и Еленой. Они предложили мне завтра показать город Канев. 

Here, yesterday evening, I met Andrej, Cveta and Elena. They offered to show me their town Kaniv tomorrow.

 

 

 

 

 

 

Fotos habe ich auch. Elena gefällt sich auf den Fotos nicht. Sie wäre bestimmt nicht glücklich, wenn ich die Bilder zeige. Eigentlich schade. Mir gefällt sie ;-)

 

30.05.2012

Jetzt sitze ich in einem Café mit WIFI und überlege wo ich übernachte. Weit auswärts für 15 EUR pro Nacht, näher am Zentrum für 38 EUR  :-(  oder zelten. Zelten würde natürlich bedeuten, dass ich mein ganzes Gepäck mitschleppe, wenn ich mich mit Alex treffe. Ich würde auch gerne duschen, wenn ich mich verabrede.

Hab noch keine Entscheidung getroffen.

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Update 18.06.2012

(Es gibt noch ein paar Probleme mit der Internetseite. Dazu gehören die Zeilenabstände. Leider sieht die Seite in dem Fenster, in dem ich sie erstelle, anders aus, als später auf der Internetseite. Tippfehler will ich zukünftig stärker vermeiden, weil nun auch viele Leute in der Ukraine meine Seite lesen, und Fehler Probleme mit Übersetzungsprogrammen bereiten. In Emails nach Deutschland möchte ich aber nur noch Fehler korrigieren, wenn ich denke, dass sie sehr beim Lesen stören. Ich habe mich nach wie vor nicht richtig an diese Tastatur gewöhnt. Großbuchstaben stehen oft klein da, und ständig landet ein Finger auf dem Trackball (oder wie das Ding heißt), statt auf den Buchstaben um ihn herum. Da muss ich oft 2 -3 Mal pro Satz korrigieren. Sehr störend.)

Und noch eine Vorbemerkung: Die Schreibweise von Eigennamen geht im Moment etwas durcheinander. Mal Ukrainisch, mal Russisch, dann Englisch oder Deutsch. Kommt immer darauf an, wo ich die Namen häufiger lese. Den Aufwand alles zu vereinheitlichen, möchte ich mir im Moment ersparen.

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Und nun weiter im Text:

Am frühen Abend fahre ich zu der preiswerteren Unterkunft außerhalb. So weit ist es dann doch nicht, ca. 3 – 4 km, eine Strecke, die ich ja auch ganz gerne mal zu Fuß gehe. Auf dem Weg halte ich noch an einem Geschäft. Ein junger Mann ist so begeistert von meiner Tour, dass er mir sofort vier Berliner kauft und schenkt. Die Dinger nennt man hier auch Berliner. Ich fange gleich mal an zu essen. Er kommt nochmal wieder und möchte mir unbedingt noch etwas kaufen. Ich entscheide mich für eine Flasche Zitronenlimonade. Er will gleich den ganzen Kühlschrank ausräumen, ich bremse ihn aber, und wir einigen uns auf zwei Flaschen. Abends fahre ich nochmal auf ein Bier in den Biergarten, in dem ich gestern war. Allerdings nervt ein Betrunkener, den ich nicht verstehe, der sich aber scheinbar um jeden Preis mit mir unterhalten will.

 

31.05.2012

Um 12 Uhr bin ich mit Alex am Busbahnhof verabredet. Sveta und Elena sind auch mit dabei. Sie sind mit dem Auto gekommen, und so können wir uns verschiedene Orte in Kaniv anschauen.

In Kaniv, auf einem Berg am Ufer des Dnjepr, wurde der Dichter Schevshenko (dt.: Taras Schewtschenko) auf seinen eigenen Wunsch hin beerdigt. Wir fahren zunächst dorthin und schauen uns die Denkmäler und das Museum an.

365 Stufen sind es bis zum Denkmal und zum Museum. Ich habe sie nicht gezählt, aber es wird wohl stimmen :-) .

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Сегодня мы с Андреем, Светой и Еленой посмотрим музей народного поэта Тараса Шевченко, который был здесь похоронен. Потом они мне покажут город Канев.

Today we visit the Museum of the famous Ukrainian national writer Taras Shevchenko, who was buried here. Afterwards we vistited other places in Kaniv. 

 

 

 

 

 

Oben angekommen haben wir eine schöne Aussicht auf den Dnjepr und das Umland:

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Вид Днепра.

View of the Dnepr and surroundings.

 

 

 

 

 

Schevshenko-Denkmal und Museum:

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Памятник Шевченко и музей. 

Shevchenko monument and museum.

 

 

 

 

 

Sveta und Elena:

Sveta i Elena

Света и Елена. Sveta and Elena.

 

 

 

 

 

 

Elena:

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Елена. 

Elena.

 

 

 

 

Die Texte im Museum sind erfreulicherweise auf Ukrainisch, Russisch und Englisch. Selbst in größeren Museen in Kiew sind Beschriftungen, Hinweise und Tafeln oft nur Ukrainisch.

Ebenso gibt es hier in den drei Sprachen elektronische Informationen zum Leben von Schevchenko und zu den Ausstellungsstücken. Es lohnt sich, sich viel Zeit zu nehmen, wenn man an Schevchenko interessiert ist. Ich konnte beim besten Willen nicht alles lesen.

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Музей предостовляет информацию на сенсерных экранах на 3-х языках: Украинский, Руский и Английский. 

The museum provides information on touchscreens in three languages: Ukrainian, Russian and English.

 

 

 

 

 

Sveta, Alex und Elena schauen sich die vielen Übersetzungen der Werke Schevshenkos an:

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Света, Алекс и Елена смотрят на коллекцию копий книг Шевченко которые были переведены на несколько языков.

Sveta, Alex and Elena looking at a collection of copies of Shevchenko’s books which have been translated into several languages.

 

 

 

 

 

 

 

 

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Ein häufig dargestelltes Motiv ist der Kobsar. „Kobsar“ heißt ein Gedichtband von Schevshenko. Ein Kobsar spielt ukrainische Volkslieder auf der Kobsa, einem Saiteninstrument:

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На монете показан Кобзарь. Кобзарь это украинский музыкант который играет и поёт народные песни на Кобза, струнному инструменту.

The coin shows a Kobzar. A Kobzar is an Ukrainian bard who sings and plays traditional Ukrainian songs on the Kobza, a stringed instrument.

 

 

 

 

 

 

1861 starb Taras Schevshenko in St. Petersburg. Er wurde zunächst dort bestattet, kurz darauf aber nach Kaniv überführt. Den Weg zeigt diese Münze aus dem Jahre 1991:

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В 1861 Шевченко умер в Санкт-Петербурге. После его смерти он был перенесён в  Канев, где он хотел быть похоронен. В монете 1991 года показан путь его перенесения с Санкт Петербурга в Канев.

1861 Shevchenko died in Saint Petersburg. After his death he was brought to Kaniv, where he wanted to be buried. The coin of 1991 shows the way from Saint Petersburg to Kaniv.

 

 

 

 

 

 

Nach dem Museumsbesuch gehen wir eine sehr schöne Straße entlang zum Auto zurück. Danach schauen wir uns noch andere Sehenswürdigkeiten an, fahren zur Schleuse und zum Wasserkraftwerk.

Ein Kobsar, als Denkmal, an einer Zufahrtsstraße nach Kaniv:

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Кобзарь, памятник который представляет город Канев, находится на главное дороге.

A Kobzar as a monument on a main road leading to Kanev.

 

 

 

 

 

Abends bin ich nochmal in die Pizzeria „Bravo“ gefahren, da sie dort WiFi haben. Ich muss, vor allem wegen der Probleme mit dem Fahrrad, unbedingt nochmal Emails checken. Das Kölner Radgeschäft, in dem ich das Fahrrad gekauft habe, hat dem Produktmanager des Radherstellers meine Probleme geschildert. Zeitgleich ist es auch meinem Bruder gelungen Kontakt zu der Firma aufzunehmen. Es scheint ein bisschen Bewegung in die Sache zu kommen. Sie wollen mir eine andere Felge und Speichen schicken. Ohne eine zur Nabenschaltung passende Felge werden mir wohl weiterhin die Speichen brechen. Ich muss jetzt auch klären, wohin ich mir die Ersatzteile schicken lassen kann. Das Dilemma sind die langen Paketlaufzeiten. Lasse ich mir eine Felge und neue Speichen weit voraus schicken, um in der Zwischenzeit dorthin zu kommen, weiß ich nicht, ob ich es mit dem Rad wirklich bis dorthin schaffe. Außerdem muss ich mich dann für die nächste Zeit auf eine bestimmte Reiseroute festlegen, was ich eigentlich auch nicht wollte. Lasse ich mir die Ersatzteile dagegen hierhin schicken, muss ich mit einem sehr langen Aufenthalt rechnen. Der Brief mit den Speichen nach Kiew war fast zwei Wochen unterwegs. Für ein Paket muss man nach meinen Informationen mit zwei bis sechs Wochen rechnen. Von meiner geplanten Tour durch Russland bliebe dann nicht mehr viel übrig. Manchmal kommen Pakete ins Ausland übrigens auch gar nicht an. Interessant auch die Möglichkeit, den aktuellen Stand einer Sendung im Internet zu verfolgen. Als ich die Speichen bereits hatte, bekam ich unter der Sendungsnummer nur den Stand von vor über einer Woche angezeigt:

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Ergebnis:

Sendungsnummer: RG768………..

Die Sendung wurde am 17.05.2012 im internationalen Logistikzentrum Frankfurt zur Weiterbeförderung nach Ukraine übergeben.

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Bevor ich mit den aktuellen Ereignissen fortfahre, möchte ich näher beschreiben, welche Idee ich ursprünglich mit dieser Radtour verband und wie sich inzwischen einiges geändert hat und ändert. Es scheint mir in diesem Zusammenhang erwähnenswert, da ich von meinen Wünschen ohnehin schon Abstriche machen musste und die Probleme mit dem Rad nun auch das Verbliebene noch in Frage stellen.

Eine längere Radtour hat mich sicher schon immer gereizt. Eine, mal für die Zeit nach der Schule angedachte Tour durch Europa, habe ich zugunsten einer Rucksackreise in Südamerika nicht gemacht. Danach hätte ich mir dann gut eine Radtour durch Südamerika vorstellen können :-) .Allerdings kam zunächst der Zivildienst, und dann waren Ausbildung, Studium und Arbeit wichtiger.

2004 habe ich erstmals angefangen ein wenig Russisch zu lernen, da es mich interessiert hat, wie es hinter dem ehemaligen Eisernen Vorhang aussieht. Der Visumsantrag für Russland sah vor, genau anzugeben, an welchem Tag und an welchem Grenzübergang man ein- und ausreisen will. Da ich mich da nicht festlegen wollte, und die Ukraine gerade die Visumspflicht für Europäer abgeschafft hatte, bin ich dann mit dem Zug in die Ukraine gefahren. Vom Zug aus sieht man sehr viele schöne Gegenden, allerdings schien es mir etwas gewagt einfach an irgendeinem kleinen Bahnhof mal auszusteigen und mich dort umzuschauen. Kommt man dort wieder weg? Findet man eine Unterkunft? Das beste Verkehrsmittel um diese Gegenden kennen zu lernen ist natürlich das Fahrrad. Danach war ich dann 2006 und 2008 mit dem Rad von Polen aus in der Ukraine unterwegs. 2011 bin ich mit dem Fahrrad von Warschau aus durch Weißrussland, Russland und die Ukraine wieder nach Warschau gefahren.

Nachdem ich Anfang 2012 aus anderen Gründen meinen Arbeitsplatz aufgegeben habe, ohne bereits einen neuen gefunden zu haben, ergab sich nun die Gelegenheit zu einer längeren Fahrradreise. Zunächst war die Idee, von Winterende bis Winteranfang die gesamte Strecke von Köln nach Wladiwostok zu fahren, also mehr oder weniger einmal ganz durch Russland. Weiter nach Nord-Osten wird sicher sehr kalt, und soweit ich weiß kommt man in einige Gebiete auch nur mit Sondergenehmigungen, die ich kaum bekommen würde. Ich halte es durchaus für möglich, die Strecke nach Wladiwostok in einem halben Jahr zu fahren und wäre da auch nicht der Erste. Im letzten Urlaub 2011 bin ich in vier Wochen 2629 km gefahren. Allerdings auch um den Preis, dass ich durch viele schöne Gegenden nur zügig hindurchgefahren bin, ohne mich dort länger umzuschauen. Ebenso habe ich gute Gelegenheiten verstreichen lassen, Zeit mit netten Menschen zu verbringen, die ich unterwegs getroffen habe.

Die schönste Vorstellung für meine jetzige Tour war also LANGSAM zu reisen. Überall, wo es mir gefällt, wo ich nette Menschen treffe einige Zeit zu verweilen. Für das erste Jahr wollte ich mir gar kein Ziel setzen. Keine Gegend, die ich bis zum Winter unbedingt erreichen will, keine Kilometer, die es zu schaffen gilt. Es wäre schön gewesen einfach nur ganz gemächlich gen Osten zu reisen, mir da wo ich dann gerade bin ein Winterquartier zu suchen und vielleicht im folgenden Jahr weiter zu fahren. Schnell habe ich allerdings erfahren, dass Russland vor einiger Zeit die Visabestimmungen geändert hat und mir für einen Aufenthalt dort nur 90 Tage bleiben. Das einzige Land, welches ich dann erreichen kann ist Kasachstan. So kam es letztlich zu meiner jetzigen Planung, von Russland aus über Kasachstan nach Usbekistan zu fahren. Für Usbekistan habe ich nach längeren Bemühungen ein ausreichend langes Visum bekommen.

Der Wunsch durch Russland zu radeln ist natürlich noch da. Die Idee hat sich also dahingehend weiterentwickelt, im ersten Jahr wenigsten über den Ural zu kommen. Wenn ich dann so viel Freude am Reisen habe, dass ich mir ein zweites Jahr vorstellen kann, könnte ich die Reise durch Russland von Usbekistan aus fortsetzen. (Dazu, ob ich überhaupt im Ausland ein Russlandvisum bekommen kann, habe ich widersprüchliche Informationen. Probieren geht da wohl über Studieren).

Da Kasachstan und Usbekistan nun nur zufällig auf die Reiseroute gelangt sind, habe ich mich mit den Ländern noch nicht sehr beschäftigt. Im Norden Kasachstans soll bereits im September mit Schnee zu rechnen sein. Bleiben also nur die Monate Juni, Juli und August für Russland und dann schnell nach Süden, bevor ich die Schneeketten aufziehen muss.

Mit dem Ziel in drei Monaten über den Ural zu fahren, bin ich nun von meiner ursprünglichen Idee, mir kein Ziel zu setzen, ganz abgekommen.

OK, ich sitze nun also in Kaniv in der Pizzeria „Bravo“ lese und schreibe Emails und überlege, wo ich mir die Ersatzteile am besten hinschicken lasse.

Als ich spät abends die Pizzeria verlasse, kommen zwei junge Männer auf einem Moped angefahren, die auch vorher schon öfter an meinem Fahrrad waren, und wollen unbedingt wissen, was mein Rad gekostet hat. Ich bin überzeugt davon, dass die meisten Menschen hier umso besser darauf aufpassen würden, je teurer es ist. Aber diese beiden sind mir ein bisschen suspekt. Ich erzähle ihnen nur, dass ich es gebraucht gekauft habe und den genauen Wert auch nicht kenne. Dann wollen sie auch noch hartnäckig wissen, wo ich untergekommen bin. Ich weiß den Namen des Hotels tatsächlich nicht, aber als sie ihn nennen, weiß ich, dass es der Richtige ist und nicke unwillkürlich. Ich ärger mich ein bisschen darüber, da es die beiden eigentlich nichts angeht. Ich fahre dann auch zunächst in die entgegengesetzte Richtung. Da mir nichts anderes einfällt, schaue ich nochmal dort vorbei, wo ich an den letzten beiden Abenden war. Der Betrunkene, der schon gestern nicht verstanden hatte, dass ich ihn nicht verstehe, ist auch wieder dort und versucht erneut penetrant ein Gespräch mit mir anzufangen. Er ist harmlos, aber er nervt. Irgendwann fahre ich dann Richtung Unterkunft. Um nicht aufzufallen zunächst ohne Licht. Die Beiden mit dem Moped sind nicht mehr zu sehen.

Da in dem Holzhäuschen, in dem mein Zimmer ist, meines Wissens die anderen Zimmer leer stehen, hole ich Rad und Anhänger mit rein und stelle sie unten in den kleinen Flur. Gerade als ich die Tür schließe, fährt draußen ein Moped mit zwei Männern vorbei… DSC00812

Мой номер в гостинице. 

My room in the guesthouse.

 

 

 

 

 

Ich werde oft gefragt, ob das Radfahren nicht anstrengend ist. Finde ich nicht, aber das Drumherum kann schon manchmal sehr anstrengend sein. Mein Zimmer hier besteht komplett aus Dachschräge. Nur direkt hinter der Tür kann man stehen. Obwohl es sehr klein ist, sind noch anderen Sachen dort abgestellt, wie zum Beispiel ein Faltbett. Um es aufzuklappen würde hier der Platz nicht reichen. Das kleine, wackelige Tischchen ist ungefähr so hoch, wie der kleine Hocker, der auch keine Lehne hat. Es ist sehr schmutzig und voller Insekten. Vorsichtshalber lasse ich alles in den Taschen, und die Taschen geschlossen. Wenn ich etwas brauche ist es eine blöde Wühlerei, da ich hier – wie gesagt – nicht stehen kann. Obwohl es sachlich nicht stimmt, habe ich das Gefühl, im Zelt mehr Platz zu haben. Die Türen klemmen fürchterlich. Es dauert einige Zeit, bis ein Gefühl dafür habe, wie man sie am besten auftritt. Auf- und Abschließen schaffe ich auch nur mit zwei Händen. Toilette und Dusche sind im Erdgeschoss, als Nebenräume zu einer Sauna. Als ich geduscht habe, lief das Wasser aus der Dusche in den Raum. Da es dort einen Abfluss gibt, habe ich nicht so genau hingesehen. Der Rest vom Raum hat sich aber wohl im Laufe der Jahre abgesenkt, nur um den Abfluss herum nicht. Handtuch und Sandalen liegen schnell unter Wasser. Als ich zum ersten Mal im Dunkeln auf Toilette gehe, muss ich zunächst wieder hoch ins Zimmer, um die Stirnlampe zu holen, da ich einen Lichtschalter nicht finde. Der Kulturbeutel stört dabei, da ich mit einer Hand die Türen nicht auf- und zubekomme. Das Licht im Zimmer ist so schlecht, dass ich einige Zeit brauche, die Stirnlampe zu finden. Den gesuchten Lichtschalter finde ich dann irgendwann, irgendwo in Kniehöhe. Es fehlt an Ablagemöglichkeiten, was dazu führt, dass mir der Rasierer wegfällt. Direkt neben das Klo, wo es nicht gerade sauber aussieht. Die Luft im Zimmer ist schlecht und in dem kleinen Raum schnell verbraucht. Am Abend lasse ich das Fenster auf und das Licht aus, damit weniger Mücken und Motten reinkommen. Da ich nachts mit den Zähnen knirsche, trage ich eine Schiene, um mir die Zähne nicht kaputt zu machen. Im Dunkeln fällt sie mir runter. Also erst mal Fenster zu, Licht an und suchen. Da der Raum praktisch komplett zugestellt ist, muss ich Tasche für Tasche beiseite räumen. Schließlich finde ich die Schiene im Dreck unter dem Bett. Also wieder runter ins Erdgeschoss zum Abwaschen. Als ich am zweiten Tag auf die Toilette möchte, sind Frauen in der Sauna. Obwohl kein entsprechender Hinweis an der Tür stand, sind sie total empört, dass ich die Tür geöffnet habe. Ich suche im Nebengebäude die Vermieterin. Sie lässt mich einige Zeit warten. Dann kommt sie mit und schließt in der oberen Etage ein Doppelzimmer auf, damit ich dort ins Bad kann.

Das Radfahren selbst ist nicht so anstrengend, ich denke jeder Bauarbeiter mit Achtstundentag leistet mehr. Aber sich fast ununterbrochen auf neue Situationen und andere Menschen einzustellen, dazu die Fremdsprache, und die Probleme mit dem Rad, das kann schon manchmal recht anstrengend werden.

Am Abreisetag bin ich froh, dass oben im Doppelzimmer der Schlüssel noch steckt, und ich dusche dort. Es ist angenehmer. Außerdem wäre ich unten ohnehin nicht ins Bad gekommen – Mein Fahrrad steht vor der Tür :-) ))))

Nach der Abreise fahre ich zunächst noch einmal in Kaniv einkaufen. Zufällig treffe ich Alex wieder. Ein schöner Abschied :-) .

Einem Rat von Alex & Co folgend, fahre ich auf der anderen Dnjepr-Seite weiter. Die ersten 16 km ist die Straße sehr schlecht. Ich brauche zwei Stunden dafür. Dann wird die Straße besser.

Öfter sieht man Wehrtechnik aus dem Zweiten Weltkrieg als Denkmäler. Manchmal wird auch an den Afghanistankrieg erinnert.

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Ich wage mich mal an eine Übersetzung. Die Mitschüler aus meinem Russischkurs werden es sicher gerne verbessern  :-)  :

Links:

Воинам бывшей 47 армии и 3го гвардейского Сталинградского мехкорпуса от благодарных тружеников Золотонощины в честь 30-летия освобождения района.

Сентябрь 1943-1973

„Den Kämpfern der ehemaligen 47sten Armee und des dritten Garde-Mechanikkorps von Stalingrad von den dankbaren Werktätigen Zolotonoshas zu Ehren des 30. Jubiläums der Befreiung des Bezirkes.

September 1943-1973“   (oder irgendwie so ;-) )

Rechts:

Люди!

Покуда сердца стучатся, -

Помните!

Какою ценой.

Завоевано счастье.

Помните!

 

Menschen!

Solange die Herzen klopfen, -

Erinnern Sie sich!

Welcher Preis. (Zu welchem Preis.) ???

Es ist das Glück erobert.

Erinnern Sie sich!

 

Am Abend fahre ich von der Hauptstraße runter in das Dorf Irkliev und versuche lange Zeit eine Stelle am Dnepr zum Zelten zu finden. Fischteiche liegen zwischen mir und dem Ufer.  Die Dorfbewohner schicken mich hin- und her. Es wird 21 Uhr und einer versucht noch mich zu überzeugen, dass ich die 30 km nach Cherkasy zurückfahren soll, weil es dort am schönsten wäre. Am Ende finde ich mit Mühe aus dem Dorf zurück zur Hauptstraße. Dort frage ich an einem kleinen Geschäft, ob ich auf dem Rasen nebenan zelten darf. Ich darf.

Schnell finden sich viele nette Leute ein, die beim Zeltaufbau helfen wollen. Sehr viele! Zu viele! Ich versuche zunächst vergeblich die Menge davon zu überzeugen, dass ich das am besten alleine mache, weil ich das jeden Abend so mache.

Die einzelnen Glieder der Zeltstangen werden durch einen in ihnen laufenden Gummizug zusammengehalten. Ein Mann versucht die Stange, die ich gerade an einer Zeltecke eingesteckt habe, am anderen Ende  in eine Öse der Plane zu stecken, auf die ich das Zelt stelle. Dafür muss er die Stange gewaltig in die Länge ziehen. In dem ganzen Tohuwabohu mache ich ihn recht deutlich darauf aufmerksam, dass er das lassen soll. Sofort lässt er los, und die Glieder der Zeltstange fliegen klackend ineinander. Laut Zelthersteller eine besten Methoden, sie kaputt zu kriegen. Und ich habe nur ein Ersatzglied dabei.

Irgendwann verstehen sie, dass ich das Zelt lieber alleine aufbauen möchte. Sie stehen nun im engen Kreis um mein noch flach liegendes Zelt herum. Die flexiblen Stangen, die sich später über dem Zelt wölben sollen, sind ausgestreckt natürlich viel länger als das Zelt. Ich fürchte, dass jemand darauf treten könnte, und versuche mehr Platz zu gewinnen. Die Leute verstehen, dass ich irgendein Problem habe. Und schon „helfen“ sie wieder beim Aufbau. Hatte ich schon was zu der Frage geschrieben, ob Fahrrad fahren anstrengend ist? Nun gut, irgendwann ziehen sie sich zurück und ich schaffe es das Zelt aufzustellen.

In einem Nebenraum des Geschäfts essen die Leute, die dort wohnen und laden mich zum Abendessen ein. Sehr lecker  :-) . Ukrainer können gut kochen. Meine eigenen Sachen bleiben dann für das Frühstück.

Eigentlich muss es heißen: Ukrainerinnen können gut kochen. Mein (subjektiver) Eindruck ist immer wieder: Männer laden Gäste ein, und die Frauen stehen dann in der Küche.

 

02.06.2012

Morgens hole ich im Geschäft noch ein paar Kekse. Sie sind in einem großen Karton und man nimmt sich die Menge, die haben möchte. Ich nehme zunächst drei. Nachdem ich den ersten probiert habe, stürme ich nochmal in den Laden und besorge mir einen kleinen Vorrat. Schade, dass ich Euch keine schicken kann, aber bei den Paketlaufzeiten kämen sie kaum frisch an;-)

Nach 26 Kilometern bricht zum fünften Mal eine Speiche. Es ist die, die ich zuletzt mitsamt ihren Nachbarspeichen gewechselt habe. Das wirft wieder die Frage auf, wie weit ich mit meinen Reservespeichen noch komme und wo ich mir Ersatzteile hinschicken lassen soll.

Die älteren Bushaltestellen sind oft mit schönen Mosaiken gestaltet:

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Более старые автобусные остановки часто оформлены прекрасными мозаиками.

The older bus stops are often designed with nice mosaics.

 

 

 

 

 

 

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Gegen Mittag überquere ich eine Bucht des Dnjepr und finde eine schöne Stelle wo ich mich waschen kann. Mit Brunnenwasser aus der Flasche spüle ich auch das Flusswasser danach wieder runter, das wahrscheinlich nicht so ganz unbedenklich ist:

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Залив Днепра, в котором я мог мыться :-) .

A bay of the Dnieper, where I can wash myself :-) .

 

 

 

 

 

 

Auf dem Weg möchte mir ein Mann unbedingt etwas zu essen mitgeben. Ich soll warten. Er kommt mit ca. drei Kilogramm Kartoffeln, einem Glas Fleisch und fünf rohen Eiern wieder.

Es gelingt mir nicht, nur einen Teil davon zu nehmen. Für die Eier schlägt er vor, dass ich sie gut einwickle und in meine Lenkertasche packe. Ich finde eine bessere Lösung, und tatsächlich bleiben vier Eier heile bis ich sie abends kochen kann.

Eine Gaststätte wirbt: „Deutsche Qualität – Ukrainischer Preis“:

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„Немецкое качество – Украинская цена“

Если это не обидет украинцев, я бы сказал: “Что касается моего (немецкого) велосипеда это скорее наоборот”.

„German quality – Ukrainian price“

If it didn’t offend the Ukrainians I’d like to say: „It’s exact the other way around with my (German) bicycle“.

 

 

 

 

 

 

Unterwegs:

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На дороге.

On the way.

 

 

 

 

 

 

Heißer Tipp für eine Nachtwanderung:

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Отличное место для ночных прогулок :-) .

My recommendation for a night walk :-) .

 

 

 

 

 

 

Ich zelte kurz vor Kremenchug hinter einem Geschäft, in dem ich noch etwas einkaufen kann und bleibe bis zum Morgen ungestört. Nur beim Zeltabbau und Fahrrad packen kommt wieder ein Betrunkener dazu, der massiv meine Aufmerksamkeit für sich beanspruchen will. Wieder verstehe ich kein Wort – und will es auch gar nicht. Beim Versuch das Zelt abzubauen stößt er mich immer wieder so massiv an, dass es mein Anliegen wirklich stört. Er will, dass ich mich mit ihm unterhalte. Wenn ich Taschen auf das Rad packen will, stellt er sich in den Weg. Irgendwann schreie ich ihn unfreundlich auf Deutsch an. Aber der Kerl ist gegen alles resistent. Ich bin froh, als ich endlich abfahren kann.

Das wirft ein bisschen die Frage nach einem geeigneten Zeltplatz auf. Wild campen oder in einem Dorf? Einerseits möchte ich ja Kontakt zu den Leuten, aber ich würde mir meine Gesellschaft schon ganz gerne aussuchen.

 

03.06.2012 – 08.06.2012

Die Tage sind geprägt von Gedanken rund um das Fahrrad. Irgendwie dreht sich alles. Auf Ersatzteile warten oder versuchen auf Kettenschaltung umzurüsten? Schaffe ich es Rostow am Don zu erreichen, wo es laut Internet viele Fahrradgeschäfte gibt? Manchmal wünsche ich mir, das Fahrrad komplett aufzugeben und ein gebrauchtes zu kaufen. Mit alten Rädern bin ich immer gut zurechtgekommen. Egal wie viel Handyguthaben ich auf Reserve kaufe, es ist immer zu schnell verbraucht. Ich bin ständig auf der Suche nach dem nächsten Internetanschluss, wegen der Emails und der Frage, wo ich eine bezahlbare Unterkunft finde, um auf Ersatzteile zu warten. Nette Gesellschaft wechselt mit solcher, die schwer zu ertragen ist.

Besonders sympathische junge Leute treffe ich in Komsomols’ck (Комсомольск). Am Pfingstsonntag (hier eine Woche später, als in Deutschland) kam ich gegen 19 Uhr in die Stadt und stoppte noch kurz an einem Geschäft um mein Abendessen zu kaufen. Sie waren total nett und sehr an meiner Tour interessiert. Sie fragten auch, ob ich in ihrem Dorf zelten würde. Es ist so schade, dass ich durch die Radprobleme so viel Zeit verliere. Ich bin weiter gefahren, weil ich mich in Kremenchug so lange im Internet aufgehalten hatte und es ja erst in zwei Stunden dunkel wurde. Ein bisschen tut es mir leid. Die Jüngste von ihnen sprach gut Englisch und hat ausgeholfen, wenn mein Russisch nicht reichte. Zum Abschied sagte sie, dass sie auf mich warten würden. Vielleicht schaffe ich es später mal vorbei zu kommen und von meiner Reise zu erzählen. Schickt mir bitte die Fotos, die ihr gemacht habt, per Email :-) .

Die jungen Leute  hätten bestimmt lange Zeit gehabt, denn wenn in der Ukraine ein Feiertag an einem Wochenende ist, dann ist per Gesetz der Montag arbeitsfrei. Das muss man auch wissen, wenn deutsche Arbeitgeber die Zahl der Feiertage mit anderen Ländern vergleichen ;-) .

Einen Tag lang radle ich durch extrem dünn besiedeltes Gebiet. Es ist sehr windig. Durch den starken Wind ist die Verständigung am Telefon fast nicht möglich. An diesem Tag finde ich keine windgeschützte Stelle. Es liegt nur ein Wartehäuschen einer Bushaltestelle auf dem Weg, und dieses ist mindestens knöchelhoch vermüllt. Die Bänke sind herausgebrochen.

Weitere Eindrücke: Ein Typ mit einer Zwei-Liter-Bierflasche spricht mich an, und will unbedingt, dass ich ein Bier aus einem versifften Plastikbecher mittrinke. Den Satz „It’s our tradition“ können hier alle. Dann zieht er sein T-Shirt aus, zeigt stolz seine Hakenkreuztätowierungen und sagt mit Betonung auf dem ‚o‘ : „Adolf“.

Ein paar Tage lang gelingt es mir nirgends zwei Minuten oder mehr zu sitzen, ohne dass Leute dazukommen und mich fragen, wo ich herkomme, wo ich hin will. Viele fragen, wann ich zurück fahre, wollen hartnäckig, dass ich sie dann besuche und bestehen darauf, dass ich ihnen sage, wann es soweit ist. Ich reagiere zunehmend genervt auf das ewige „Woher, Wohin“. Oft werde ich auch gefragt, wo das (geografische) Ziel meiner Reise ist und wann ich zurück fahre. Sie können nicht verstehen, dass ich das selbst gar weiß und auch nicht wissen will. Es ist wie bei der Vorbereitung der Reise in Deutschland. Da will die Versicherung unbedingt eine Kopie des Flugtickets. Als endlich klar ist, dass ich die nicht vorlegen kann, weil ich die Radreise in Köln starte, fällt dem Mann am Telefon eine einfache Lösung ein: Eine Bescheinigung des Reiseveranstalters reicht ja auch  :-) .Es gibt keinen? Nun, kein Problem ohne Lösung. Dann eben eine Bescheinigung des Arbeitgebers.

Was mich nicht stört, ist, dass ich mit dem Fahrrad bis zu 20 Mal am Tag fotografiert werde. Es kommt sogar vor, dass Autos halten, und sich die Insassen mit mir und dem Fahrrad fotografieren lassen, oft händeschüttelnd.

Damals in Polen, als ich die grüne Raupe fotografierte, habe ich auf die schnelle ein paar Bilder vom Fahrrad gemacht. Sie waren mir aber nicht gut genug. Ich wollte lieber später mal richtig gute Fotos machen, und mein Rad auf meiner Seite vorstellen. Ihr könnt Euch sicher vorstellen, dass mir nun nicht mehr danach zumute ist. Auch tolle Fotos von mir mit dem Rad muss ich verschieben.

Ein international aufgestellter Fahrradhersteller sollte mir ein gutes Fahrrad schenken. Meine Tour wäre eine tolle Werbung :-) .

Nur weil ich wieder Internet brauche, fahre ich nach Zaporoshe. Nach langer Suche finde ich ein Cafe mit WiFi. Leider kann ich von drinnen das Rad kaum sehen. Nur die Fahnenstange und der Lenker ragen über die hohe Fensterbank. Da ich eine Steckdose brauche, kann ich nicht direkt am Fenster sitzen. Immer wieder ist die Sicht auf das gepackte Fahrrad durch andere Gäste versperrt. Es sind immer wieder Leute draußen, die sich für mein Fahrrad interessieren. Einmal, als ich rausgehe, um nach dem Rad zu schauen, missbraucht ein Halbstarker meinen Packsack auf dem vorderen Gepäckträger als Boxsack. Bei ihm hilft es wenigstens, ihn auf Deutsch zusammenzuscheißen. Er versteht.

Ich komme viel zu spät aus der Stadt raus und es wird dunkel. Einkaufen muss ich auch noch. Bin etwas erkältet und brauche unbedingt Taschentücher. Wenn ich statt dessen im Zelt den Rest Klopapier dafür nehme, habe ich eine lebendige Vorstellung von meinem nächsten Problem ;-) . Im Supermarkt, in dem ich einkaufe, bin ich sehr nervös, weil ich mein Rad nicht sehen kann. Ich denke, ich brauche dringend mal eine Auszeit, möglichst erst in Russland. Am Vortag habe ich auf einem Feld gezeltet. 150 Meter über einen abgemähten Streifen haben gereicht, dass sich Stroh um die Radnaben gewickelt hat. Am Nabendynamo ist das Kabel aus dem Kabelschuh gezogen, aber noch unter der Isolierung, so dass es Wackelkontakt hat. Abends bei der Reparatur kommt mir ein junges Paar zu Hilfe. Der Mann hat eine Kombizange im Wagen. Er scheint das gut zu können, und ich überlasse ihm die Reparatur. Sie sind sehr nett und laden mich ein, bei ihnen zu übernachten. Allerdings müsste ich nochmal durch die ganze Stadt. Ich möchte es ihnen weder zumuten eine knappe Stunde vor mir herzufahren, noch möchte ich selbst den Weg suchen. Daher lehne ich dankend ab.

Ich erinnere mich daran, wie ich 2008 mit dem Ukrainer Rostislav gezeltet habe. Ich war gespannt nach welchen Kriterien er den Platz zum Zelten auswählt, da ich damals nicht recht wusste, ob ich besser wild zelte oder in einem Dorf um Erlaubnis frage. Wir haben unsere Räder 650 m weit über eine Wiese mit hohem Gestrüpp, Brennnesseln und Disteln geschoben. Auch da hat sich viel in den Speichen verfangen. Aber da wir beide Seitendynamos hatten, ist dieses Problem nicht aufgetreten. Ich bin unschlüssig, was besser ist. Die Ausleuchtung der Straße ist mit meinem Rad zugegeben deutlich besser als alles was ich bisher kannte  :-) . Am liebsten waren mir früher die Rollendynamos, aber leider gibt es die nicht mehr.

Einmal, als ich einen Weg aus einer Stadt suche, fährt ein Taxifahrer unentgeltlich ein paar Minuten vor und zeigt mir den Weg.

Zu den schönsten Erlebnissen gehört ein Zeltabend am Dnjepr. Es ist am 04.06. Ein Freund hat Geburtstag, was ich zum Glück nicht vergesse und per sms gratuliere. Er gratuliert mir ebenfalls und erinnert mich daran, dass ich nun seit zwei Monaten auf Tour bin. (Bianca, hast Du nicht auch an dem Tag Geburtstag? Ich habe vielleicht beim Handywechsel die alten und neuen Nummern vertauscht. Vielleicht ist nichts angekommen, aber ich habe geschrieben :-) )

Mond über dem Dnjepr vom Zelt aus gesehen:

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Вид из палатки: Луна над Днепром. 

View out of the tent: The moon over the Dnieper.

 

 

 

 

 

 

Blick aus dem Zelt am Morgen:

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Такой же вид только утром. 

The same view in the morning.

 

 

 

 

 

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Meine Badewanne :

(Man beachte, dass ich keine Bedenken habe, meine Kamera aus der Hand zu geben und das Rad stehen zu lassen. Die meisten Menschen hier sind sehr nett.)

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Моя ванна. 

My bathtub.

 

 

 

 

 

 

Per Email erfahre ich, dass ich nicht der Erste mit dem Speichenproblem bei dem Fahrrad bin. Ich begrüße die Information, bin aber natürlich auch frustriert und enttäuscht, weil es mir das Gefühl gibt, dass die Räder vom Hersteller wissentlich mit der Schwachstelle verkauft werden.

OK, so geht es weiter. Fahrrad, Probleme, Strecken. Bis wohin schaffe ich es? Wie viele Kilometer sind es bis wo, wie lange brauche ich dafür, und reichen die Speichen solange? Dass die Lenkung immer Spiel hat, stärkt mein Vertrauen in das Rad auch nicht. Ich hatte sie auch in Kiew im Fachgeschäft nochmal einstellen lassen, aber es hält nur ca. 300 km. Hoffentlich ist das bald vorbei.

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Lenindenkmal. Sie sind gelegentlich zu sehen. In Weißrussland gibt es sie noch öfter.

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Памятник Ленину.

Monument to Lenin.

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Denkmal für die Fahrer des zweiten Weltkrieges:

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Памятник водителям Великой Отечественной войны.

Monument for the drivers of World War II.

 

 

 

 

 

 

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Шли мы дни

и ночи,

трудно было

очень.

Но баранку

не бросал

шофер.

„Wir fuhren Tag und Nacht. Es war sehr schwer. Aber das Lenkrad warf der Fahrer nicht.“

(Die Korrektur überlasse ich wieder den Mitschülern aus meinem Russischkurs  :-) . Oder jedem, der wirklich gute Sprachkenntnisse hat )

Nachts komme ich in Berdjansk an und zelte in einem Park. Ich hatte keine Lust vorher nochmal zu übernachten. Morgens bietet sich mir ein schöner Anblick mit Kirchen und Meer.

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In Berdjansk, noch in der Ukraine, am Asowschen Meer, gönne ich mir ein paar Tage Ruhe. Deutschland gewinnt gegen Portugal  :-) . Ich sehe das Spiel in einem Biergarten. Die meisten Leute hier scheinen Deutschland die Daumen zu drücken.

Noch was Schönes fällt mir gerade ein: Einer, der mich unterwegs angesprochen hatte, als ich gerade Pause machen wollte, hat mich im Fernsehen gesehen und erinnert sich daran.

Eins habe ich vergessen zu schreiben. Ich möchte es nachholen. Da war der 11-jährige Junge, der mir neulich sein Dorf gezeigt hat und mir später beim Speichenwechsel zusah. Als ich mein Werkzeug wieder einpackte sagte er auf Russisch: „Deutsche lieben …“. Ich gab ihm mein Wörterbuch, und während ich weiter packte schlug er das Wort nach, welches ich nicht verstand. „Deutsche lieben Ordnung“. Wusstet Ihr, dass man mir das anmerkt? ;-)

Leider kannte er auch die deutschen Wörter „Hände hoch“ und „Schweine“. Manches hält sich lange.

In Berdjansk, wo ich jetzt bin, bin ich gut untergekommen. Ich schreibe später davon. Ich werde wohl noch den Sprung nach Rostow wagen und dort irgendwie das Problem mit dem Fahrrad lösen. Fünf Reservespeichen für drei bis vier Tage sollten reichen.

Vielen Dank an die früheren Kollegen, für die Idee, mich zum Sommerfest einzuladen. Ich habe mir den Termin im Handy gespeichert und werde versuchen mit Euch anzustoßen. Mit einem Kölsch wird es allerdings nicht gehen, wegen der langen Paketlaufzeiten. :-) .

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Soweit hatte ich in Berdjansk geschrieben. Ich war dann nicht mehr dazu gekommen es hochzuladen, da ich den Text nochmal durcharbeiten wollte. Das Fahrrad beschäftigt mich natürlich sehr. Wenn ich in entsprechendem Verhältnis hier schreiben würde, würden wahrscheinlich nur noch wenige meine Seite lesen wollen. Außerdem will ich mir allzu unsachliche Bemerkungen zum Rad verkneifen, was mir dann doch nicht so ganz gelungen war. Ich hoffe, so geht es jetzt.

Ich habe es bis nach Rostow geschafft. Hier muss ich nun eine endgültige Lösung finden. Vielen Dank für die Mails und die vielen Vorschläge und Angebote, die mich dazu erreicht haben.

Es ist schon ganz schön schwierig. Vorgestern war ich in einem Cafe mit WiFi, die früher geschlossen haben, als es an der Tür stand. Da musste ich meine Arbeit unvollendet abrechen. Ich wollte eigentlich noch ein paar Infos, die ich im Internet gefunden hatte meinen Eltern schicken, mit der Bitte genauere Informationen telefonisch zu erfragen.

Am Tag darauf, also gestern, war das Cafe geschlossen, und ich habe vergeblich nach einem anderen gesucht. War ziemlich frustrierend. Ich habe den gesamten Tag damit verbracht. Wieder ein Tag ohne auch nur den kleinsten Schritt weiter zu kommen.

Jetzt (Montag) ist das Cafe wieder auf. Ich habe jetzt alles über das Internet gefunden. Eine Lieferzeit von 2,5 Wochen für eine Felge lässt sich wohl nicht unterschreiten. (Also allein der Transport nach Russland). Könnte höchstens noch länger dauern.

Daher werde ich gleich mal losziehen und schauen, was für ein Fahrrad ich hier bekommen könnte. Wenn ich ein anderes Fahrrad finde, das ich für geeignet halte, gebe ich mein aktuelles Rad auf. Dann hätte ich auch wieder mehr Spaß daran, wenn es dauernd fotografiert wird, und ich muss meins nicht mehr beiseiteschieben, damit es nicht mit ins Bild gerät, wenn ich selbst fotografiere.

Ein Versuch, das Hinterrad mit jemandem zu tauschen, der nach Deutschland zurückgeflogen ist, ist daran gescheitert, dass wir in einer Fahrradwerkstatt eine Torx-Schraube an der Nabe trotz gutem Werkzeugs nicht losbekommen haben. Sein Rad ist etwas älter als meins. Daher hätten wir an der Nabe etwas von der Befestigung tauschen müssen. Ich verzweifle an dem Rad langsam. Das Namensschild des Herstellers am Lenkerrohr hat sich von selbst entfernt :-) . War wohl nicht so gut geklebt. Vielleicht sollte man dafür auch Torx-Schrauben nehmen ;-) .

Es sind jetzt 5 Wochen seit dem ersten Speichenbruch und ich würde sage: Es reicht!

Also Fotos ab der Zeit in Berdjansk und die Berichte von der Fahrt von Berdjansk bis Rostow am Don muss ich später machen. Ich konnte die letzten beiden Nächte kostenlos in einer Umkleidekabine eines Sportzentrums schlafen. Da habe ich zur Zeit auch tagsüber den größten Teil meiner Sachen untergestellt. Aber es ist noch nicht sicher, ob sie mich da länger “wohnen” lassen. Muss mich also beeilen. Jetzt geht es erst mal wieder ums Fahrrad :-( .

 

Update 08.07.2012

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Update 08.07.2012

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Ein wenig über die Zeit ab Berdyansk hatte ich ja schon zusammengefasst. Aber nun  noch mal der Reihe nach.

Am Stadtrand von Berdyansk hatte ich also gezeltet. Nach dem Zeltabbau und Packen entdecke ich eine schöne Kirche, die ich noch nicht bemerkt hatte, da ich ja im Dunkeln angekommen war. Und als ich das Rad auf die Straße schiebe, kann ich das Meer schon sehen :-) . Nun geht es nur bergab bis zum Busbahnhof. Dort setze ich mich erst mal draußen in ein Straßencafe und frühstücke für diesen touristischen Ort erstaunlich preiswert. Das Rad steht an der Straße, so dass ich es gut sehen kann. Zwei- drei Mal werde ich gefragt wo ich herkomme usw. Da ich mich auf eine Auszeit am Meer freue, bin ich nun aber etwas entspannter. Einen Mann, der mich auf das Rad anspricht, frage ich lächelnd: „Do you speak English?“ Hehe, er versucht es, er überlegt, kann sich aber wohl an sein Schulenglisch nicht erinnern. Er versucht es nochmal auf Russisch und mir rutsch doch glatt „По-английски, пожалуйста“ raus, „Auf Englisch, bitte“ auf Russisch. Er überlegt noch etwas, lächelt verlegen und geht :-) . Es kann wieder gefrühstückt werden.

Am Busbahnhof stehen Frauen, die Privatquartier anbieten. Das hatte ich bisher erst einmal versucht, 2005 in Odessa. Es war damals nicht so gut. Weit außerhalb, teuer, unsauber und ich hatte die halbe Nacht im Freien verbracht, weil die Haustür mit einem Zahlenschloss gesichert war und ich den Code nicht kannte.

Jetzt versuche ich es nochmal und habe Glück. Nicht weit vom Busbahnhof finde ich eine Unterkunft, die ich zunächst für zwei Nächte nehme, dann noch um eine Nacht verlängere.

Auf dem Grundstück sind mehrere kleine Häuser in denen Zimmer vermietet sind. Es gibt eine große Küche für alle und sogar eine Waschmaschine :-) .

Nachmittags mache ich mich auf den Weg in die Innenstadt. Die müsste ich wiedererkennen. Ich war vor zwei Jahren schon mal hier.

Ich frage mich durch und bin schon gespannt, wie ich wieder zurückfinde. Zum Glück weiß ich die Adresse, von meinem Zimmer. Es geht ziemlich zick-zack durch die Straßen, die sich oft auch im spitzen Winkel teilen. Auf dem Weg denke ich, ich hätte besser mal gefragt, wie weit die Wohnung vom Zentrum weg ist. Nun ja, irgendwann sehe ich das Hotel, in dem ich vor 2 Jahren war. Ab da kenne ich mich aus. Vor allem möchte ich einkaufen. Ach ja, ein Kühlschrank steht mir auch zur Verfügung. Da lohnt es sich mal wieder Butter zu kaufen *freu

Den Supermarkt, an den ich mich erinnere gibt es nicht mehr. Nach ein bisschen Lauferei finde ich einen anderen.

Natürlich finde ich nach dem hin- und her den Rückweg nicht und frage einen Taxifahrer. Und dann bin ich doch sehr überrascht. Wo haben mich die Passanten nicht überall langgeschickt auf dem Weg ins Zentrum. Und jetzt stelle ich fest, dass die Straße an derem einen Ende ich wohne direkt ins Stadtzentrum führt. Schnurgerade. Es ist auch gar nicht weit.

Abends gehe ich noch einmal in die Stadt und schaue mir das Spiel Deutschland-Portugal an.

 

10.06.2012

Ich überlege schon, ob ich den Tag am Strand streiche, weil mir die Probleme mit dem Rad nicht aus dem Kopf gehen und ich es wenig sinnvoll fände, mir am Strand damit den Kopf zu zerbrechen. Öfter kommen mir Ideen, die ich dann doch wieder verwerfe. Dazu gehört auch der Gedanke, irgendjemanden, der Zeit hat aus Deutschland nach Kiew „einzuladen“, und selbst mit Zug oder Bus hinzufahren, um mir die Felge abzuholen. Ich erläutere jetzt nicht im Detail, warum ich die Idee verworfen habe.

Ich setze mich also in den Hof und fange an, am nächsten Update zu schreiben.

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Переделка моего текста в Бердянске.

Writing on my next update in Berdjansk.

 

 

 

 

 

 

Weit komme ich nicht, nur ein paar Sätze, da fragen mich die Vermieter, ob ich nicht Lust hätte mit ans Meer zu kommen. Das trifft sich super. Bei einem gemeinsamen Strandbesuch werde ich nicht ans Rad denken. Außerdem wollen sie mit dem Auto fahren, und ich weiß vom letzten Mal, dass die schöneren Strände weiter außerhalb sind.

Es ist auch wirklich schön. Zusammen mit der Jüngsten bauen wir zwei kleine Burgen am Strand und schwimmen im Meer. (Die Brücke über den Burggraben baut der deutsche Ingenieur :-)  ).

Nach dem Strandbesuch setze ich mich wieder in den Hof und beginne erneut zu schreiben und Fotos zu komprimieren. Weit komme ich wieder nicht, da ich nun zum gemeinsamen Essen eingeladen werde. Da sage ich natürlich nicht „nein“.

Am nächsten Tag gehe ich in ein Café zum Schreiben ;-) . Leider schließen sie bevor ich fertig bin. Ich schreibe abends dann noch offline im Biergarten weiter, während die Ukraine gegen Schweden 2:1 gewinnt. Tolle Stimmung. Ich kann von meinem Platz aus leider den Fernseher nicht sehen.

 

12.06.2012

Es gefällt mir hier schon ganz gut. Trotzdem möchte ich nicht lange auf Ersatzteile warten. Ich gehe, entsprechend meinen Informationen, immer noch von 2 – 6 Wochen aus. Es ist sehr heiß und ich beeile mich nicht gerade. Um 12 Uhr habe ich dann geduscht, gepackt, gegessen und mache mich auf den Weg, weiter nach Osten.

In einem kleinen, klimatisierten Imbiss mache ich Pause. Die Inhaber erzählen, dass auch schon ein paar andere Radreisende dort eingekehrt sind. Ein Italiener ist sogar von Italien aus zu Fuß vorbeigekommen. Zu Fuß! Ist das nicht verrückt? *gg

Nebenbei läuft der Fernseher. Ich achte nicht sonderlich darauf, es ist wohl die Fremdsprache, die dem Ganzen eine schöne Atmosphäre verleiht. Jedenfalls finde ich es nicht so gut, dass der Inhaber anfängt durch die Kanäle zu zappen. Und dann die Überraschung: Er hat mir das ZDF eingestellt. Kurz darauf (um 16 Uhr Ortszeit) kommen die 15-Uhr-Nachrichten. Die Welt scheint nicht besser geworden zu sein, seit meiner Abreise.

Ich könnte dort zelten und abends Fußball gucken. Hoffentlich finde ich so was morgen Abend, da spielt Deutschland-Holland. Obwohl ich kein Fußballfan bin, möchte ich das sehen.

Ich fahre bis Mariopol durch, 107 km heute, und verlasse mich mal darauf, dass ich auch wieder nachts irgendwo mein Zelt aufgestellt bekomme.

Der Sonnenstand am sehr späten Abend irritiert mich. Es liegt daran, dass die Sonne jetzt schon eher im Norden als im Westen untergeht, und die Straße führt nicht exakt nach Osten, wovon ich so aus dem Gefühl heraus immer ausgehe. Daher ist der Himmel links von mir rot, statt hinter mir. Ich brauche Kompass und Karte um mir das Phänomen zu erklären :-) .

Am Stadteingang von Mariopol ist eine Tankstelle mit Wiese daneben. Wie für mich geschaffen. Aber sie lehnen es ab, mich dort zelten zu lassen. Das passiert mir selten. Ich kann mich nur daran erinnern, dass im letzten Urlaub meine Frage, ob ich auf der Wiese hinter einem Kiosk zelten darf, abgelehnt wurde, mit dem Hinweis, ein paar Kilometer weiter gäbe es ein Hotel.

Ich fahre dann in die Stadt hinein. In einem Park raten mir junge Leute davon ab dort zu zelten. Am Stadtrand kommt auf meinem Weg zunächst ein Industriegebiet, sie empfehlen mir deshalb einen anderen Platz, an dem ich aber keine Stelle finde, die mir geeignet erscheint. Daher radel ich doch aus der Stadt hinaus. Tatsächlich kommt ein großes Industriegebiet. Die Luft ist teilweise so schlecht, dass ich dort wirklich nicht zelten möchte. Hinter dem Gebiet finde ich erneut einen Park. Um einen Eindruck von der Gegend zu bekommen, setze ich mich erst mal auf eine Bank und spreche auch ein paar Leute an. Eine Frau, die mit ihrem Sohn vorbeikommt ist völlig aus dem Häuschen wegen dem Radfahrer aus Deutschland und macht ein paar Fotos vom Rad und mir.

Vor dem Zeltaufbau möchte ich mir noch ein Bier holen. Das, was ich für Kioske gehalten habe, sind allerdings fünf Blumengeschäfte, die direkt nebeneinander stehen und die ganze Nacht geöffnet haben. Einer aus einem der Geschäfte bietet mir einen Kaffee an. Nun wird es wieder spät :-) . Er hat schon in Usbekistan gearbeitet und findet Samarkand interessanter als Taschkent. Ich erfahre, dass Samarkand früher mal die Hautstadt von Usbekistan war.

Er empfiehlt mir vorm Geschäft zu schlafen, weil mich da die Mitarbeiter der Blumengeschäfte im Auge haben. Gerade als ich um 2 Uhr das Zelt aufbauen will kommt die Frau mit dem Sohn wieder. Sie hat mich 1,5 Stunden im Park gesucht, und will mich unbedingt zu sich einladen. Ich bin gar nicht so begeistert, aber der Mann aus dem Blumengeschäft kennt die Frau und meint auch es sei besser als zu zelten. Nun gut, da sie sich so viel Mühe gegeben hat mich zu finden, lehne ich nicht ab. Im Blumengeschäft war übrigens die ganze Zeit kein Kunde. Ich frage mich, warum die rund um die Uhr geöffnet haben.

Immerhin kann ich nun duschen. Aber es muss dann auch noch gekocht und gegessen werden. Es wird sehr spät. Sie ist etwas entsetzt, dass ich am nächsten Tag um 7 aufstehen will. Aber abends spielt Deutschland gegen Holland, da will ich in Taganrog in Russland sein.

 

13.06.2012 (Mittwoch)

Ich komme gegen 8 Uhr los. Das Frühstücken ist gar nicht so einfach, wo ich doch letzte Nacht schon essen musste.

Am Vormittag, auf dem Weg zur Ukrainisch-Russischen Grenze überholt mich Leo. Wir fahren ein Stück zusammen. Er hat fast das gleiche Rad wie ich, nur ein paar Jahre älter. Leo fliegt von Rostow aus zurück nach Deutschland und schlägt vor in Rostow die Hinterräder zu tauschen, da er mit seinem noch keine Probleme hatte. Er ist deutlich schneller unterwegs als ich. Nachdem er weiterfährt entdecke ich eine schöne Stelle Meer.

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По дороге в Россию.

On the way to Russia.

 

 

 

 

 

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Anschließend versuche ich noch ein Foto passend zu Ukrainischen Flagge zu machen (oben Blau, unten Gelb). Das Licht ist nicht so optimal, aber da ich ja heute Abend das Fußballspiel Deutschland-Holland noch sehen will, warte ich nicht auf einen anderen Sonnenstand :-) .

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Как украинский флаг.

Like the Ukrainian flag.

 

 

 

 

 

 

 

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