Polen

Von meinem Plan über Uschgorod zu fahren nehme ich Abstand. Es ist mir wichtiger halbwegs stressfrei am 01.06. in Russland anzukommen und dabei noch Zeit in Lemberg (ukr.: L’viv, russ.: L’vov) und in Kiew zu verbringen. Außerdem schreckt mich der Gedanke ab mit den ca. 80 kg, die das Rad mit Gepäck wiegt, durch die Karpaten zu radeln.

 

Zwischen Riesengebirge und Karpaten hindurch fahre ich am 02.05. nach Polen. Die erste Wechselstube in Polen ignoriere ich mal, da ich davon ausgehe später einen besseren Kurs zu bekommen. Die folgenden 1,5 Tage verbringe ich dann zu einem erheblichen Teil mit dem Versuch Geld zu wechseln. Die Banken haben schon geschlossen, Wechselstuben sehe ich keine mehr, und am 03.05. ist in Polen – was ich nicht wusste – Feiertag. Zum Glück habe ich noch ca. 30 Zloty (ca. 8 EUR), die vom letzten Urlaub übrig sind.

 

Irgendwann sehe ich ein Schild mit Hinweisen auf ein Museum. Auch ein Eurozeichen ist abgebildet. Das Museum hat irgendwas mit Auschwitz zu tun. Geld wechseln klappt auch hier nicht. Als ich weiter radle, wunder ich mich etwas über die Dimension des Museums. Für einen Moment denke ich noch: „Die haben hier ja Auschwitz komplett nachgebaut, bis mir klar wird: Das ist Ausschwitz! Den Polnischen Namen „Oswiecim“ hatte ich damit nicht in Verbindung gebracht.

 

Nach kurzem Überlegen entschließe ich mich, das Gelände nicht zu besuchen und weiter zu fahren.

 

Als ich später das Rad kurz abstelle, um mich und Gepäck regensicher zu machen, winkt mich eine Frau aus ihrem Vorgarten zu sich und fragt, ob ich einen Kaffee möchte. Kurze Zeit später sitze ich mich drei älteren und einer jüngeren Dame zusammen. Die jüngere spricht gut Englisch und übersetzt. Ihre Mutter aus dem Nachbarhaus bringt mir ein Schnitzel mit Kartoffelpüree und Salat.

 

So gestärkt fahre ich dann in die Touristenhochburg Krakau weiter, die einzige Gelegenheit trotz Feiertag Geld wechseln zu können. Zimmerpreise ab 50 Euro für eine Übernachtung lehne ich ab, aber mit frischen Zloties in der Tasche mache ich mich dann auf den Weg aus der Stadt. Als ich die Stadt hinter mir lasse, ist es bereits dunkel und ich finde weder ein Hotel noch einen Platz zum Zelten. Daher beschließe ich die Nacht durchzuradeln. Die Straßen sind hier oft recht eng. LKW die Gegenverkehr haben oder überholt werden, können einem Radfahrer kaum Platz lassen. Oft sind auch gerade die Straßenränder, die mir dann bleiben in schlechtem Zustand. So genieße ich es, auf leeren Straßen durch die Nacht zu radeln. Bis der fast volle Mond untergeht sind auf dem Land und durch die Wälder sehr interessante, abwechslungsreiche Geräusche von den Tieren zu hören. Danach wird es still, bis es gegen 4 Uhr anfängt hell zu werden und auch der Verkehr wieder zunimmt.

 

Иногда я должен был не спать всю ночь, а иначе я бы никогда не увидел восход солнца.

Sometimes I have to stay up all night, if I didn’t I would never see the sun rise.

 

 

 

 

Ab und zu muss ich mal eine Nacht durchmachen, sonst sehe ich ja nie einen Sonnenaufgang.

Nach 220 km in ca. 24 Stunden komme ich in Radomysl Wielka an (Bei google maps: Radomysl Wielki) und finde nach kurzer Suche ein Hotel, in dem ich sogar Internetanschluss habe :-)

Einen Tag mache ich jetzt Pause. Dann soll es in drei Tagen über Prsemysl in die Ukraine nach Lemberg gehen. Dort möchte ich spätestens am 09.05., dem „Tag des Sieges“, sein um den Feiertag mitzuerleben.

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In Radomysl Wielka habe ich erst mal ausgeschlafen. Nachdem das Rad gepackt ist, trinke ich noch einen Kaffee, dann möchte ich aufbrechen. Zwei Männer, die draußen sitzen, interessieren sich für den Radfahrer. Thomas hat schon in Deutschland gearbeitet und spricht gut Deutsch. Sein Vater Janusz möchte mir ein Essen ausgeben. Ich bin nicht hungrig und möchte aufbrechen, setze mich aber noch kurz zu den beiden. Sie bieten mir an, mich mit ihrem Kleinlaster mitzunehmen, was ich auch ablehne. Thomas‘ Einladung, sie in Kolbuszowa zu besuchen und dort zu übernachten nehme ich dann aber an. So fahre ich an diesem schönen, sonnigen Tag ohne Eile 48 km. Ich nehme mir viel Zeit für eine Mittagspause in einem schönen Park, und mache mit der kleinen Kamera ein paar missglückte Fotos von einer grünen Raupe, die ich fast überfahren hätte. Als ich die bessere Kamera, die ich eigentlich auch fast griffbereit habe, ausgepackt habe, ist die Raupe schon davongaloppiert. Nicht wiederzufinden. Ich suche sie sogar unter meinen Schuhen, aber auch dort hat sie sich nicht versteckt.

Зелёная гусеница.

Green Caterpillar.

 

 

 

 

 

 

Grüne Raupe

 

Блин! Я сбился с дороги ;-) .

Crap! I lost my way ;-) .

 

 

 

 

 

 

Mist! Schon wieder verfahren ;-)

 

Später überquere ich den Nil, und bin auch kurz darauf schon bei Thomas und seinen Eltern.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Martin und Thomas

Томас и Янус приглашают меня переночевать с  ними.

Tomas and Janus invite me to stay with them for the night.

 

 

 

 

 

Thomas, Martin und Janusz

Wir verbringen einen schönen Abend zusammen, und ich schlafe hervorragend im Gästezimmer.

Am nächsten Tag mache ich mich auf den Weg nach Przemysl (Die Aussprache ist ungefähr „Pscheemüssl“). Die Fahrt ist nicht weiter ereignisreich, nachmittags regnet es mehrmals. Auf den letzten 5 Kilometern fängt es dann heftig an zu regnen, genau wie 2006. In Przemysl war ich nun schon drei Mal, kenne die Stadt aber bisher nur im Dunkeln. Irgendwann sollte ich auch dort mal länger bleiben. Es scheint eine ganz schöne Stadt zu sein.

2008 bin ich hier sehr spät mit dem Zug angekommen, um von hier aus zu einer Radtour durch die Ukraine zu starten. Gerade rechtzeitig hatte ich es noch in eine Pizzeria geschafft. Als ich gegen 1 Uhr zum Hotel zurückkam, war die Tür abgeschlossen. Nach zweistündigem klopfen und rufen (erst allein, später zu zweit) kam endlich jemand von außen mit einem Schlüssel. Der gute Mann an der Rezeption hatte ein Feldbett aufgestellt und sich ins Koma gesoffen.

Auch 2011 stand ich in Polen vor einem Hotel und die Tür war abgeschlossen. Dabei hatte ich wenige Meter vom Eingang entfernt auf einer Bank gesessen und die Rezeptionistin wusste, dass ich dort sitze. Aber 2011 war auch meine erste Radtour, bei der ich eine Trillerpfeife dabei hatte. Sie ist extrem laut, und so wurde bereits nach 15 Minuten geöffnet.

So vorbereitet gehe ich an diesem Abend also mit Trillerpfeife Pizza essen. Lärmstöpsel für die Ohren habe ich auch dabei, schließlich möchte ich keinen Hörschaden bekommen, wenn ich wieder mal um Einlass bitten muss ;-) Aber an diesem Abend ist die Tür offen.

Auffallend sind in Polen die gut besuchten Kirchen. Und es gibt sehr viele Denkmäler für Johannes Paul II. Dazu kommt Werbung für den konservativen Sender Radio Maryja.

Памятники Иоанну Павелу II.

Monument to Pope John Paul II.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Часто вы можете увидеть рекламу для религиозной, социально-консервативной радиостанции Радио Мария.

Often advertisements for Radio Maryja, a religious and socially conservative radio station, can be seen.

 

 

 

 

 

Вид из гостинице. Вокзал Пшемысля.

View out of the hotel window. The railway station of Przemysl.

 

 

 

 

 

 

 

Der Bahnhof von Przemysl vom Hotel aus gesehen (wenn ich die Pfeife wirklich gebraucht hätte, wären bestimmt alle Züge abgefahren :-) )

 

 

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