Kasan – Казань

Nun geht es schon aus Udmurtien hinaus nach Tatarstan. Udmurtien hat eine eigene Zeitzone. Konnte ich nicht wissen. Erst jetzt beim Schreiben und Recherchieren einige Tage später in Kasan erfahre ich, dass Russland im letzten Herbst die Zeit umgestellt hat und neue Zeitzonen eingerichtet hat. Jetzt verstehe ich auch, warum es in Tatarstan nur noch eine Stunde Zeitverschiebung zu Deutschland ist. Ich hatte mich schon vor ein paar Tagen darüber gewundert, und mehrmals überlegt, ob ich da irgendwo einen Fehler mache.

Auf einer Strecke von nur 240 km nach Süd-Westen habe ich nun zweimal eine Stunde Zeitverschiebung. Gut, dass ich beim ersten Mal meine Uhren noch nicht umgestellt hatte. Es sind eine ganze Menge Uhren, vom Tacho bis zum MP3-Player. Ich stelle sie nicht gerne um, weniger wegen der damit verbundenen immensen Arbeit, sondern vor allem weil ich durcheinander komme, wenn es zum Beispiel an einem bewölkten Tag um die Frage geht, wieweit ich noch vor Einbruch der Dunkelheit fahren kann.

Jetzt wird es schon gegen 21 Uhr dunkel, und das, wo doch die Tage gerade am längsten sind. Also, ganz dunkel wird es um diese Jahreszeit ohnehin nicht. Und so gegen zwei halb drei wird es dann wieder richtig hell.

 

Der Ausflug nach Mendelejewsk war keine gute Idee. Die Stadt ist nach Dmitri Mendelejew benannt, dem Entwickler des Periodensystems der Elemente. Von der Fernstraße geht es zunächst bergab, was nicht überrascht, da die Stadt an einem Stausee des Flusses Kama liegt. Doch dann geht es noch eine Zeit lang steil bergauf und bergab. Schweißtreibend, da es wieder sehr warm geworden ist. Gestern war es noch recht kühl, aber heute schon am frühen Morgen ungewöhnlich warm. Der Sicherheitsmitarbeiter eines Stellplatzes hatte mir angeboten in seinem Arbeitsraum zu schlafen, hat mich dafür aber schon um 5:30 Uhr geweckt. Daher bin ich schon sehr früh auf dem Rad.

Irgendwo entscheide ich mich dann recht willkürlich an den Fluss runterzufahren und hoffe einen schönen Platz für das Frühstück zu finden. Über Schotter und durch Schlamm geht es bergab und der Weg endet zwischen einem abgesperrten Gelände, an dem wohl Holz verladen wird, und einer lauten Baustelle.

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Nachdem ich klitsch nassgeschwitzt das Rad den steilen Weg über das Geröll wieder hochgeschoben habe, finde ich wenigstens eine schöne Waschgelegenheit für mich, mein T-Shirt und mein Obst und Gemüse. Dass mich eine Frau recht unfreundlich darauf aufmerksam machte, dass das hier kein Parkplatz ist und ich mich weiter weg vor den Supermarkt stellen könne, ist wohl zum Glück eine Ausnahme.SAM_4289

 

 

 

 

 

 

 

 

Bei der Hitze trocknet das T-Shirt wieder so schnell, dass ich es direkt wieder anziehen kann.

Auf dem Weg nach Kasan: Die rechte Spur ist für den Verkehr gesperrt, also quasi ein Radweg :-)

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Kasan erreiche ich spät abends und zelte die erste Nacht in einem Park in der Stadt.

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Am nächsten Tag mache ich mich auf die Suche an einem Café bei dem ich eine Steckdose habe um meinen Laptop-Akku zu laden und mein Rad im Auge behalten kann. Bei einigen Cafés scheiter ich daran, dass sie mir nicht erlauben mein Fahrrad vorm Café abzustellen. In einem Fast-Food-Restaurant geht die erste Steckdose nicht. Am zweiten Tisch ist die Steckdose ebenfalls ohne Funktion. Ein Mitarbeiter zeigt mir einen Tisch an dem sie zwar funktioniert, aber ich kann von dort mein Rad nicht sehen. Er bietet mir immerhin einen Platz für das Rad an, an den ich es nicht von mir aus gestellt hätte. Es steht jetzt etwas im Eingangsbereich. Kurz darauf werde ich dann tatsächlich aufgefordert es wieder wegzustellen. Letztendlich ziehe ich weiter. Später abends finde ich endlich eine Gelegenheit den Akku zu laden und im Internet nach einem Hostel zu suchen. Ich bin zu m Glück damit fertig, als im Café ein Gast an meinen Tisch kommt und offensichtlich Streit sucht. Die Angestellten kümmern sich nicht darum. Auch draußen, als ich meine Sachen auf’s Rad packe gibt der Kerl keine Ruhe. Er ist besorgniserregend aggressiv, aber es passiert nichts Ernstes bis ich abfahre. Bis jetzt ist mir Kasan eher unsympathisch. Die Leute eher unfreundlich. Auf den guten Straßen wird sehr schnell gefahren. Motorradfahrer heizen mit irrem Lärm auf den Straßen, wie ich es in Russland bis jetzt nur in Tjumen erlebt hatte.

Eigentlich wollte ich noch einmal zelten, schaue mich jetzt aber doch nach einem Hostel um. Das erste finde ich nicht, beim zweiten klappt es dann.

Von der Architektur und den Parks her ist Kasan ganz schön. Auf meinem Weg durch die Stadt bin ich auch an den Kreml gekommen. Ein Kreml ist, wie eine Zitadelle, ein befestigter Bereich innerhalb einer Stadt. Der Kasaner Kreml ist gut erhalten und wurde in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Als ich mich dem Eingang nähere, kommt mir jedoch gleich jemand in Uniform entgegen und erklärt mir, dass ich nicht auf das Gelände kann. Nicht wegen dem Fahrrad, sondern wegen der Taschen darauf. Die seien zu groß und daher nicht erlaubt. Mit einem Kinderwagen ist es hingegen kein Problem unkontrolliert durch das Tor zu kommen. Irgendwie muss ich an den sogenannten Rucksackbomber denken, der in London eine Bombe zu Explosion gebracht hatte, die in einem Rucksack war. Danach hatte – laut Zeitungsberichten – viele Angst vor Leuten mit Rucksäcken. Hier scheint sich eine kollektive Fahrradtaschenphobie ausgebreitet zu haben.

Eingang zum Kreml:

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Gegenüber:

Das Nationalmuseum der Republik Tatarstan:

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Im Hostel lerne ich zwei nette Leute kennen, Judit aus der Schweiz und Alan, der in Berlin wohnt. Wir drei verstehen uns wirklich gut.

Am Abend fahren wir mit der U-Bahn auf die andere Seite des Flusses Kasanka. Gerade noch rechtzeitig schaffen wir es Bier im Supermarkt zu kaufen, was seit 2013 nur noch bis 22 Uhr erlaubt ist. damit sitzen wir dann am Fluss und unterhalten uns. Auf dem Rückweg, den wir zu Fuß gehen, weil die U-Bahn schon schläft, kommen wir noch an einer Kneipe vorbei, neben der man auch gut draußen sitzen kann. Gegen drei Uhr ist es schon hell. Schwer zu sagen, ob wir die Nacht dort verbringen, oder ob man es besser Frühschoppen nennen sollte. Jedenfalls ist es sechs Uhr durch als wir wieder im Hostel sind.

Das Kasaner Familienzentrum bei Nacht:

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Blick auf den Kreml:

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Alan, Judit und Martin

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Danke für dieses schöne Foto:

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Den nächsten Tag verbringen Judit und ich auch größtenteils zusammen. Judit bucht ihren Zug um und bleibt einen Tag länger in Kasan als geplant.

Kasaner Innenstadt:

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Gar nicht so einfach auf so einem Ding zu fahren. Ich bin doch recht froh, dass die Verleiher anfangs neben mir her laufen, bis ich einigermaßen das Gleichgewicht halten kann:

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Die Kul-Sharif-Moschee auf dem Kremlgelände ist die größte Europas und wurde erst 2005 errichtet. In Kasan sind der Islam und das Christentum verbreitet.

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Ein Model der Moschee in der Moschee:

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Nachdem Judit und am Tag darauf auch Alan abgereist sind ist es zwar nicht mehr so schön im Hostel, dafür komme ich langsam dazu mich meiner Webseite zu widmen. Allerdings ist es besonders am Wochenende recht unruhig im Hostel und auch an zwei Plätzen, die ich mir in der Stadt suche ist es schwierig konzentriert zu schreiben. Dafür wäre dann doch ein Einzelzimmer geeigneter.

Der 28.06., ein Sonntag ist ein besonderer Tag auf meiner Reise. Rose, eine Mitschülerin aus meinem Kölner Russischkurs hat einen dreiwöchigen Sprachkurs in Kasan gebucht und reist heute an. Da wir die ganze Zeit in Kontakt geblieben sind und voneinander wissen, dass wir beide hier sind, verabreden wir uns natürlich.

Wir sind am Kremleingang verabredet. Ich komme ein Stunde früher und schaue mich noch auf dem Gelände um. Mein erster Eindruck: Ein Kreml ist eine große Ansammlung von Souvenirshops. Die vielen Museen kosten jeweils drei bis vier Euro Eintritt. Das ist etwas schade. Um nur mal überall reinzuschauen, bevor ich mir überlege, was ich genauer sehen möchte, wäre ich gleich mal 40-50 Euro los. Ich belasse es dabei mir die Gebäude von außen anzusehen. Bevor ich abreise möchte ich noch in das Nationalmuseum von Tatarstan und, wenn die Zeit reicht, in das Museum für Sowjetischen Lebensstil (Soviet Lifestyle Museum).

Übersichtsplan über den Kreml:

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Im Kreml ist so ziemlich alles verboten, was Spaß macht:

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Seiner Lebensfreude Ausdruck verleihen… Verboten:

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Den Kreml mitgestalten… Verboten:

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Gift mit herumschleppen… Verboten:

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Hätten sie mir das vor dreieinhalb Jahren gesagt, wäre ich gar nicht erst losgeradelt.

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Der Turm steht es etwas schief, da er zur Hälfte auf dem Fundament eines älteren Gebäudes errichtet wurde. Die andere Seite sackt ab:

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Martin und Rose beim Kaffee trinken in Kasan:

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Ich habe bis jetzt übrigens keine sms aus Deutschland bekommen, seit ich in Russland bin. Rose und ich stellen fest, dass auch ihre sms bei mir nicht ankommen. Wahrscheinlich werde ich nochmal meine Telefonnummer wechseln. (Den Regenschirm auf dem Foto hatte ich wegen der Sonne dabei. Es ist ziemlich heiß und während ich vorm Kreml auf Rose gewartet hatte, hat mir der Schirm etwas Schatten gespendet).

So, nun habe ich die letzten 4-5 Wochen für meine Webseite nachgeschrieben. Nicht erwähnt hatte ich mein Tretlager. Es knackt ganz leise. In Kasan war ich noch in einem Radgeschäft. Der Mitarbeiter dort ist überzeugt davon, dass ich mit dem Lager auch mit Gepäck noch mehr als nur ein paar hundert Kilometer weit fahren kann. Ich lasse es mal darauf ankommen. Über die Entscheidung erst mal weiterzufahren habe ich die Frage vergessen, ob ich ein passendes Tretlager hier überhaupt bekomme… Sonst wäre es eine Notlösung gewesen, wenige Stunden vor Roses Abreise zu schauen, ob sie mir noch etwas mitbringen  kann. Den Verschleiß an den Zahnrädern kann ich schlecht beurteilen, aber auch da meinte der Fachmann sie seien noch OK. Hoffen wir mal das Beste :-) .

Am Tag vor der Weiterreise schaue ich mir noch das Museum für sowjetischen Lebensstil und das Nationalmuseum der Republik Tatarstan an.

Wie schon etwas erwartet ist das Sowjetmuseum sicher für Menschen interessanter, die hier aufgewachsen sind. Alte Spiele, Kinderspielzeug und viele Jahre alte Seife sowie Waschpulver in Originalverpackten sind sicher nett anzuschauen, wenn man sich dabei an seine eigene Kindheit erinnert. Aber ich bin ja ein Wessi.

Schau an, Anrufbeantworter hatte die auch schon. Ob Genscher da wohl draufgesprochen hat?

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Das Nationalmuseum von Tatarstan ist enttäuschend. Ich bin kurz vor 5 Uhr nachmittags dort. Um 5 ist Kassenschluss, um 6 schließen sie. Zu den Exponaten gibt es kaum Informationen und selbst das nur auf Tatarisch und Russisch. Nun ja, wenn in der Vitrine ein Faustkeil liegt und es steht „Faustkeil“ dran, finde ich das etwas dürftig. Außerdem ist alles schlecht beleuchtet. Um halb sechs machen sie das Licht aus. Ein paar Bildschirme, die neben den Exponaten stehen sind ausgeschaltet bis auf einen. Der bietet immerhin eine Information auf Englisch: „No input signal. Check connection.“ (Kein Eingangssignal. Prüfen Sie die Verbindung). Zwei Mitarbeiter frage ich unabhängig voneinander wegen der Bildschirme. Vorausgesetzt, ich habe das auf Russisch richtig verstanden sagte die erste, sie seine schon abgeschaltet, weil gleich geschlossen wird (kurz nach Kassenschluss, eine Dreiviertelstunde vor Ende der Öffnungszeit), die andere meinte nur, das die Bildschirme nicht funktionieren.

Zum Glück ist Rose, mit der ich mich kurz getroffen hatte, noch in der Stadt, so dass wir uns nochmal sehen.

Meine Weiterreise wird voraussichtlich so aussehen:

Zunächst geht es nach Cheboksary, der Hauptstadt von Tschuwaschien. Die ist etwa 160 km von hier entfernt. Ich werde versuchen, den größten Teil der Strecke an einem Tag zu fahren und dann vormittags in der Stadt anzukommen. Dann kann ich entscheiden, ob ich den einen oder anderen Tag dort bleibe oder abends gleich weiterfahre. Danach liegt noch Nizhni Nowgorod auf dem Weg. Vor Moskau kommt dann Wladimir. Von dort fahre ich nicht direkt nach Moskau, sondern zunächst über den sogenannten Goldenen Ring, einer historisch interessanten Gegend, und ich hoffe dort auch angenehmer Rad fahren zu können, als auf den Fernstraßen. Dann steht Moskau auf dem Programm. Dort bleibe ich sicher länger. Von Moskau aus geht es über St. Petersburg ins Baltikum. Ich hoffe, dort ein Visum für Weißrussland zu bekommen und dass es die Situation in der Ukraine zulässt nach Kiew zu radeln. Eventuell werde ich anschließend durch Polen trampen oder mit dem Zug fahren. Bis jetzt bin ich davon ausgegangen Ende Oktober oder Anfang November in Köln anzukommen. Aber wirklich Lust im November noch durch Deutschland zu fahren habe ich nicht. Und in Polen sind die Fernstraßen sehr schmal. Auf den Straßen, die ich dort kennen gelernt hab, musste ich oft von der Straße, wenn von vorne und hinten LKW kommen, weil für zwei LKW und ein Rad der Platz nicht reicht. Also mal schauen. Einerseits möchte ich die Reise, die ich als Radtour angefangen habe auch als Radtour beenden, andererseits ist eine Fahrt durch Deutschland, wenn die Tage schon so kurz sind auch nicht so reizvoll für mich. In Polen ein anderes Verkehrsmittel zu wählen könnte ein Kompromiss sein.

 

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