Cheboksary und Nizhnij Nowgorod – Чебоксары и Нижний Новгород

Es ist schon Nachmittag, als ich mich in Kasan auf den Weg mache.

Kurzfristig hatte ich mich entschieden auf der rechten Wolgaseite zu fahren, weil die Strecke verkehrsärmer und weniger hügelig ist.

Einige Kilometer kann ich auf einem guten Weg neben dem Zubringer zur Fernstraße fahren. Nach gerade mal 14 Kilometern setzt heftiger Regen ein, den ich aber zum Glück an einem überdachten Schaschlik-Stand unter einem Schirm bei Schaschlik und einem Bier aussitzen kann.

Wenig später verlasse ich auch schon Tatarstan und komme in die Republik Mari El („Land der Mari“).

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Danach regnet es nicht mehr. Die Strecke gehört zu den schöneren auf dieser Reise. Straße, Temperatur, Verkehr, Wind, … Alles lässt ein angenehmes Fahren zu. Gegen 21 Uhr geht die Sonne schon unter, ab 22 Uhr ist es relativ dunkel. In der Nacht bleibt es hell genug, dass man die Umrisse der Bäume und die Fahrbahnmarkierung erkennen kann. Um auch noch im Mondschein zu fahren, ist es zu bewölkt.

Gegen 23 Uhr am Fluss Malaya Kokshaga:

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Um 2 Uhr ist es schon wieder so hell, dass ich meinen Tacho ablesen kann.  Kurz darauf ist mein Ausflug durch Mari El auch schon beendet und ich erreiche die Republik Tschuwaschien, in deren Hauptstadt Cheboksary ich mich ein wenig umschauen möchte.

Republik Tschuwaschien:

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Mond über der Wolga:

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Trotz des frühen Sonnenaufgangs finde ich erst  morgens kurz vor 4 Uhr und damit schon direkt vor Cheboksary einen Platz zum Zelten.

Und hier kommt die Antwort auf eine Frage, die Ihr Euch bestimmt auch schon oft gestellt habt: Wie heißt Cheboksary, die Hauptstadt von Tschuwaschien, auf Tschuwaschisch?

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Шупашкар heißt sie also. Umschrift laut Wikipedia: Şupaşkar. Da hätte man ja auch von selbst drauf kommen können.

Die 12 km bis Cheboksary schaffe ich dann grad am nächsten Tag, als es auch schon wieder anfängt zu regnen. In der Stadt finde ich bei jedem Schauer einen Platz um mich unterzustellen, auch wenn es vielleicht nicht gerade die interessantesten Orte sind.

Bis jetzt habe ich in Russland nicht viel von irgendwelchen Sanktionen oder wirtschaftlichen Schwierigkeiten mitbekommen. Ein paar Leute stellen festen, dass man viele Käsesorten nicht mehr bekommt, was für Käseliebhaber natürlich nicht so schön ist. Ein einziges Mal hat man mir an so einem Fernfahrer-Café gesagt, dass sie keine Getränke hätten, noch nicht einmal Wasser, und dass dies an der Krise läge. Es widerspricht aber allem, was ich sonst so wahrnehme, dass es schwierig wäre Trinkwasser zu beschaffen. Dass es überall noch Coca-Cola gibt überrascht mich auch nicht. Nach allem was ich im Internet lese, mussten die USA massiv Druck auf Europa ausüben, damit Europa Russland sanktioniert, also seine Exporte drosselt. Die USA selbst sollen im selben Zeitraum ihre Exporte nach Russland deutlich ausgeweitet haben).

Dann sehe ich in Cheboksary diese Werbung für ein „Antikrisen-Menü“ für 99 Rubel (1,65 Euro):

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Da ich es nicht probiert habe, kann ich nicht sagen, ob es denn mehr wert wäre. Aber wenn die Krise zu Werbezwecken taugt, beschäftigt sie vielleicht mehr Menschen, als ich bisher mitbekommen habe.

Interessante Fahrräder in Cheboksary:

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Es gibt ein paar interessante Museen in der Stadt, unter anderem eines zur Geschichte des Treckers. Ich entscheide mich für das Tschuwaschische National-Museum. Das Fahrrad kann ich wieder im Museum unterstellen.

Das Museum bietet deutlich mehr Informationen zu den Exponaten, als das in Kasan, allerdings haben sie auch keine Beschriftungen oder Broschüren auf Englisch, geschweige denn auf Deutsch.

Ein kleiner Teil des Museums ist dem Tschuwaschen Andrijan Nikolajew gewidmet, der als dritter Kosmonaut im Weltall war.

Schade, dass die Mitarbeiter im Museum so gut aufpassen. Die Astronautennahrung Borschtsch und Schi (eine Kohlsuppe) in Tuben könnte ich unterwegs auch gut mitnehmen:

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Nach dem Museumsbesuch entscheide ich mich weiterzufahren. Auf dem Weg aus der Stadt regnet es wieder. Fast eine Stunde stelle ich mich unter. Das wechselhafte Wetter nervt. Kaum habe ich das Regenzeug angezogen, hört es wieder auf zu regnen.

 

Bis an den Stadtrand von Nizhnij Nowgorod fahre ich zwei Tage.

Die Straße ist oft schlecht. Ein Schild kündigt eine Baustelle von fünf Kilometern an. Nahtlos geht die Baustelle in eine weitere über, die laut Beschilderung zwei km lang ist. Danach geht es weiter durch die Baustelle. Ein weiteres Schild irgendwo im Baustellenbereich kündigt eine Baustelle von 200 Metern an. Insgesamt sind es 14 km.

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An einer Stelle finde ich einen Weg parallel zur Fernstraße. Hier wird auch gebaut. Ein gutes Stück muss ich das Rad durch feinen Sand schieben, den Rest der Strecke habe ich dafür ein paar Kilometer die Straße für mich allein. (Das Fahrrad selbst, Gepäck, Lebensmittel und Getränke wiegen etwa 70 kg. Es durch Sand zu schieben, ist ungefähr so spaßig, wie z.B. einen Bollerwagen, in dem zwei Kinder sitzen, durch lockeren Sand zu schieben. Schieben, nicht ziehen!)

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Der Wind ist wieder stark genug, um in der Pause selbst meine Butterbrote davonzuschieben. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich auf dem Weg nach Osten solchen Wind gehabt hätte. Nun, wo ich nach Westen fahre, kommt er mir ständig entgegen oder auch mal von der Seite.

Wenn es auf diesem Abschnitt überhaupt einen Standstreifen gibt, ist er oft unbefahrbar. Das Rad sinkt zu tief in den Sand ein, oder der Straßenrand besteht aus grobem Schotter. Ungewöhnlich viele LKW-Fahrer sind äußerst aggressiv und drängen mich von der Straße, obwohl ich ja schon regelmäßig freiwillig anhalte, wenn sie Gegenverkehr haben. Ohne Gegenverkehr könnten sie problemlos überholen. Das senkt meinen Schnitt wieder erheblich. Bergauf und durch den Wind geht es kaum vorwärts und bergab fahre ich auch selten schneller als 20 km/h, um nicht mit hoher Geschwindigkeit wegen einem der Laster im Schotter zu landen.

Eigentlich wollte ich mich tagsüber schonen und wegen dem Verkehr und Wind nachts weiterfahren. Aber der Tag war einfach zu anstrengend. Nach 78 Kilometern beende ich die Tour für diesen Tag.

Am Morgen fängt es mehrmals an zu regnen, als ich gerade losfahren will. Dann komme ich gerade drei Kilometer weit und nutze ein Café mit überdachtem Außenbereich um trocken zu bleiben. Über zwei Stunden regnet es stark. In der Zeit lerne ich mal wieder etwas Russisch. Immerhin kann ich die ganze Zeit neben meinem Rad sitzen ohne von Neugierigen belagert zu werden.

Kurz vor Nizhnij Nowgorod liegt die Stadt Kstowo. Dummerweise ist ohne jeden weiteren Hinweis eine Umgehungsstraße nach Nizhnij Nowgorod ausgeschildert, so dass ich an Kstowo vorbeifahre. Das ist sehr schade, da es langsam doch sehr langweilig wird die Fernstraßen abzuradeln. Kleinere und größere Städte auf dem Weg sind da eine nette Abwechslung und nicht selten entdecke ich dabei ja zufällig etwas Interessantes.

Kurz vor Nizhnij Nowgorod baue ich mein Zelt auf. Am nächsten Morgen regnet es immer wieder. Da ich in der Stadt wahrscheinlich ein paar Tage im Hostel wohne, möchte ich das Zelt nicht nass einpacken. Aber jedes Mal, wenn es soweit trocken ist, dass ich es abbauen möchte, regnet es wieder. Einmal geht ein heftiger Wolkenbruch mit starkem Wind und Hagel einher. Dummerweise gelangt dabei richtig viel Wasser zwischen Zelt und der Plane unter dem Zelt, so dass das Zelt nun auch noch regelrecht in einem See steht. Schlecht, da der Zeltboden nicht wirklich wasserdicht ist. Es wird 16 Uhr bis ich mich endlich an den Abbau des Zelts mache.

Wolken über der Stadt beim Zeltabbau:

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Der nächste Platzregen setzt ein bevor ich alles verpackt habe. Übel…

In Nizhnij Nowgorod suche ich mir ein Hostel. Nach einem ersten Spaziergang in der Umgebung, setze ich mich in die Küche des Hostels und lese noch ein wenig im Internet über diese Stadt.

Die Küche ist im Keller. Hier ist es ungewohnt ruhig. In Kasan und unterwegs hatte ich praktisch ununterbrochen Verkehrsgeräusche. Hier hört man jetzt absolut nichts, was mal sehr angenehm ist.

Fotos aus Nizhnij Nowgorod:

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Denkmal für Minin und Poscharski:

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Die Volkshelden Minin und Poscharski führten 1611 einen Volksaufstand gegen eine polnische-litauische Besetzung an und gewannen den Konflikt 1612. Im 19ten Jahrhundert wurde ein Denkmal für die beiden in Moskau auf dem Roten Platz aufgestellt, das ursprünglich hier in Nizhnij Nowgorod stehen sollte, wo der Kaufmann Kusma Minin lebte und zum Aufstand aufrief. Dieses Denkmal von 2005 ist eine Kopie des Originals in Moskau.

Wie in Kasan ist auch in Nizhnij Nowgorod der Kreml erhalten geblieben. Dieser sollte nicht mit dem so bezeichneten Nowgoroder Kreml verwechselt werden, der in Weliki Nowgorod steht.

Von den Flüssen Oka und Wolga, die hier zusammenfließen, geht es äußerst steil den Berg hoch zum Kreml. (Gut für eine Befestigungsanlage). Ich gehe an der Westseite außen an der Kremlmauer entlang, schaue mir zunächst die Innenstadt an und gehe anschließend in den Kreml.

Blick auf die Wolga. In der kleinen Straße (im Bild links vom Kirchturm, zur Wolga) befindet sich das Hostel, in dem ich mich einquartiert habe:

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Blick auf den Fluss Oka:

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Fußweg außen an der Kremlmauer entlang:

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Der Hügel zwischen dem Zusammenfluss von Wolga und Oka ist sehr steil. Anscheinend musste für die Straße extra ein Weg ausgehoben werden, damit sie nicht zu steil verläuft:

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Die Fußgängerzone:

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Der Kreml hat mehrere Eingänge:

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Auch in diesem Kreml gibt es Dinge die erlaubt und solche die verboten sind:

Motorräder – ja:

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Fahrräder – nein:

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Auf dem Gelände:

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Auch die Philharmonie befindet sich im Kreml:

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Im Gegensatz zum Kasaner Kreml gibt es hier viel mehr Autoverkehr und Parkplätze.

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Blick auf die Wolga, links hinter den Bäumen die Mündung der Oka:

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Hinter den Gebäuden der Administration hört offensichtlich der Bereich auf, den sich die Touristen anschauen. Ich persönlich finde den weniger gepflegten Teil auch ganz reizvoll:

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Ein eher neueres Gebäude der Stadtverwaltung:

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Auf dem Kremlgelände, insbesondere an der Nordseite weht ein starker Wind. Im Schatten wird es sehr kühl.

Außerhalb des Kremls – Die Tschkalov-Treppe (Waleri Tschkalow überflog als erster den Nordpol):

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Die Seilbahn führt über die Wolga. Die kleinen schwarzen Punkte in der Mitte des Bildes sind die Gondeln. Morgen möchte ich mal damit über die Wolga gondeln:

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Zufluss der Vesloma auf der anderen Wolgaseite:

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Die Tschkalov-Treppe von unten:

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Am folgenden Tag regnet es von nachmittags bis abends durchgehend. Die meiste Zeit verbringe ich im Hostel. Unter anderem repariere ich meinen rechten Fahrradschuh. Ich habe die Schuhe vor dreißig Jahren gekauft und sehe nicht ein, warum gerade jetzt einer von beiden kaputt gehen sollte. Die gebrochene Sohle ist jedenfalls kein Grund die Schuhe wegzuwerfen.

Nähen, kleben mit Sekundenkleber und dem Kleber vom Fahrrad-Flickzeug sowie Fahrradflicken, die auf der gummiartigen Sohle scheinbar ganz gut haften. Mal schauen, ob es länger hält, als die Reparatur gedauert hat.

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Die Fahrt mit der Seilbahn muss ich später mal nachholen. Bei dem Regen hatte ich keine Lust dazu. Immerhin hat der aktuelle Wetterbericht von heute, für heute keinen Regen vorhergesagt. Vielleicht war es der Regen, der morgen kommen soll. Für morgen haben zwei Wetterberichte im Internet Regen den ganzen Tag über und 50-55 km/h Böen aus West vorhergesagt. Das würde mich beim Radeln ein wenig stören.

Ich habe jetzt übrigens geplant, die Tour ein wenig abzukürzen. Anstatt erst nach Wladimir und dann über Susdal über den sogenannten Goldenen Ring zu fahren, fahre ich jetzt voraussichtlich zuerst nach Susdal, eine Strecke, die bei gutem Wetter ganz reizvoll sein könnte, und dann über Wladimir nach Moskau. Den Rest vom Goldenen Ring, zu dem Wladimir und Susdal gehören, lasse ich wahrscheinlich ausfallen. Die Städte sind oft auch nur über Fernstraßen verbunden. Das Abradeln der Fernstraßen und immer weitere Städte anzuschauen verliert langsam an Reiz. Dafür habe ich dann entweder mehr Zeit mir Moskau und St. Petersburg anzuschauen, oder ich bin etwas früher zurück und erspare mir das Schmuddelwetter im November in Deutschland.

Geplante Strecke (von rechts nach links (Nizhnij Nowgorod – Susdal – Wladimir):

Weg

 

(Quelle der Karte: http://www.avtodispetcher.ru )

 

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