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Hier geht’s zum Update vom 11.09.2012 <———
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Ich fahre jetzt auf kleineren Straßen nördlich der Fernstraße M5. Einen Platz zum Zelten finde ich im Dunkeln natürlich wieder nicht, und auch als es hell wird dauert es bis 7 Uhr, bis ich endlich eine geeignete Stelle hinter einigen Bäumen zum Schlafen finde.
05.08.2012 (Sonntag)
Irgendwann steht die Sonne so hoch, dass die Bäume keinen Schatten mehr geben, und ich werde wach, weil es zu warm wird. Der Tag ist extrem heiß, und ich bin ziemlich müde. Daher lege ich mich am Spätnachmittag nochmal etwas abseits der Straße schlafen. Später werde ich von einem Mann geweckt, der mich dort gesehen hat, und mich zum Tee einladen will. Nun denn, es ist direkt nebenan und wer hätte was gegen einen Tee. Irgendwas wollen der Mann und ein Freund von ihm noch einkaufen. Wir fahren also kurz zu einem Geschäft und anschließend dann dummerweise nicht zurück zum Fahrrad, sondern zu seiner Mutter zum Essen. Irgendwie entwickelt sich das mit den Einladungen immer so, dass es sehr viel länger dauert als geplant. Dabei wollte ich gerade die kühleren Abendstunden zum Radeln nutzen.
Um 21:30 Uhr komme ich endlich weiter. Kurz darauf ist die Straße nicht mehr asphaltiert. Der Boden ist extrem hart, und Steine ragen verschieden weit aus dem harten Boden heraus. Dazu liegt viel loser Kies auf der Straße, und es ist sehr staubig. Auf dem Untergrund fährt es sich mit dem Fahrrad extrem schlecht. Außerdem wirbeln die Autos viel Staub auf, der sich lange in der Luft hält. Besonders, wenn sie schnell fahren ist es extrem.
Die Moscheen sehen für mich oft aus wie Kirchen. Nur am Halbmond auf der Turmspitze kann ich sie unterscheiden. Moschee:
Мечеть.
Иногда мечети похожи на церкви. Только половиной луны на арке я могу отличить их.
A mosque.
Sometimes mosques look like churches. Only by the half moon on the spire I can distinguish them.
Meine kleine Kamera ist leider extrem langsam. Sehe ich in der Ferne ein Auto kommen und möchte die Staubwolke fotografieren, ist das Auto längst vorbei und alles sieht nicht mehr so schlimm aus, bis die Kamera endlich soweit ist. Obwohl es ein aktuelles Model im April war, konnte ich keinen Zweitakku bekommen. Er hätte bestellt werden müssen, aber ich war nie lange genug an einem Ort. Inzwischen (nach nur 4 Monaten) ist der Akku auch schon recht schwach geworden. Nun denn, zur modernen Technik hatte ich mich ja schon geäußert. Wenigstens kann ich den Akku über den Fahrraddynamo laden, sonst wäre die Kamera kaum noch zu gebrauchen.
Когда автомобили проезжают мимо меня, воздух заполнен пылью. К сожалению, моя камера очень медленная чтобы сфотографировать это.
When cars pass me the air is filled with dust. Unfortunately my camera is too slow to take a photo of this.
Neben der wenig befahrenen Straße finde ich einen schönen Platz für die Nacht, ungefährt 10 km hinter dem kleinen Dorf Tavtimanogo (Тавтиманого). Weit weg von der Straße ist es absolut ruhig. Bäume werden morgen früh noch Schatten spenden, da kann ich ausschlafen, ohne dass es in der Sonne zu warm wird. Ich schlafe im Freien, baue das Zelt aber auf, für den Fall, dass es anfängt zu regnen. Als ich schon liege, fliegt ein ziemlich großer Vogel ganz knapp über mich hinweg. Ich denke, es war irgendein Raubvogel. Später vergleiche ich die Rufe der Raubvögel, die ich hier oft sehe mit Vogelstimmen aus dem Internet. Es könnten Bussarde sein, ich bin mir aber noch nicht sicher. Einen ganz kleinen Schrecken habe ich schon bekommen, da er nicht zu hören war, und dann dieser riesige, schnelle Schatten vor dem fast dunklem Himmel . Aber vor allem ist es faszinierend.
06.08.2012 (Sonntag)
Früh morgens werde ich unsanft aus dem Schlaf gerissen. Ein Autofahrer muss wohl über die Weide gefahren sein, da er mich sonst nicht hätte sehen können. Er stellt seinen Wagen zentimetergenau neben meinen Schlafsack und brüllt vergnügt aus dem Fenster. „Woher, wohin …“ . Dafür weckt mich dieser Idiot. Ich gebe ihm deutlich zu verstehen, dass ich stocksauer bin. Irgendwann fährt er endlich.
Ausgewählte Zeltplätze fotografiere ich gerne. Wie so oft, denke ich aber wieder erst daran, nachdem ich das Zelt abgebaut habe:
Это было хорошее место для палатки, но как всегда я забыл сделать фотографию прежде, чем я упаковал свою палатку.
This has been a nice camping site, but as always I forgot to take photo before I packed my tent.
Der Typ von heute Morgen fährt mir noch drei Mal über den Weg, freut sich stets mich zu sehen und versucht jedes Mal die Standardfragen loszuwerden. Wieder einer, dem ich nicht klar machen kann, dass ich nicht nur keinerlei Interesse an einem Gespräch mit ihm habe, sondern, dass meine Bereitschaft, ihn überhaupt wahrzunehmen, von Versuch zu Versuch geringer wird. Mich zu wecken wird nicht belohnt .
Nach den 10 km Staubpiste gestern und heute Morgen wird die Straße zunächst wieder besser. An einem See fülle ich Wasser in leere Plastikflaschen und „dusche“ damit etwas abseits vom See. Ich denke, Fische und Angler werden es begrüßen, dass ich Shampoo und Seife nicht im See abspüle . Danach gehe ich noch mal schwimmen.
Später hole ich an einem kleinen Fluss unter einer Brücke noch mal Wasser, das ich verwende um meine Getränke kühl zu halten. Über die Trinkflaschen habe ich alte Strümpfe gezogen, die ich ständig nass halte, und für eine weitere Flasche verwende ich den Waschlappen. Andernfalls wären alle Getränke tagsüber brühwarm. Unter der Brücke, direkt unterhalb der Fahrbahn, haben Ziegen Schutz vor der Sonne gesucht. Ich bin offensichtlich nicht der einzige, der es heute etwas heiß findet.
Они согласны со мной, что сегодня слишком жарко .
They agree with me that it is too hot today .
Open Air-Müllverbrennungsanlage auf dem Land:
Мусоросжигательный завод мусора на открытом воздухе.
Open air garbage incineration plant.
Vielleicht erstmals im Internet zu sehen- der Bahnhof von Ulu-Telyak (Улу Теляк) :
Интересно, является ли это первой фотографией, изданной в Интернете железнодорожной станции Улу Теляк.
I wonder if this is the first photo published in internet of the railway station of Ulu-Telyak (Улу Теляк).
Am Nachmittag kommt der Ural in Sicht:
Во второй половине дня я смог видеть Урал.
In the afternoon the Urals appear.
Auf einer landschaftlich sehr schönen Strecke befestige ich mal wieder die kleine Kamera am Lenker und filme ein paar Minuten.
Rechts vor links:
Уступите дорогу.
Give way to the right.
„Ural, ich komme!“ :
Урал, я прибываю!
Ural, I am coming!
Eine ganze Zeitlang genieße ich den Ausblick auf den Ural und höre Musik. Ich höre nur selten Musik unterwegs, aber das hier müsst Ihr auch mal machen: Radelt mal auf eine Wiese, schaut Euch den Ural an, und hört dabei Eure Lieblingsmusik. Das kommt wirklich gut .
Я загораю, слышу музыку и смотрю на Урал Это фантастически. Вы тоже должны сделать это
.
I am sun-bathing, listening to music while looking at the Ural. It’s fantastic. You should do the same .
Abends kommen leider wieder 20 km Staub- und Schotterpiste:
Снова 20-километровая пыль и гравий.
Again 20 km dust and gravel.
Brücke vor dem Ort Ascha (Аша):
Мост недалеко от г. Аша.
A bridge near to Asha (Аша).
Der Staub erschwert die Suche nach einem Platz für das Zelt. Je nachdem wie der Wind steht, könnten Zelt und ich ganz schön leiden. Ich fahre daher noch durch den Ort Ascha (Аша). Als ich den Ort hinter mir lasse ist die Straße besser, allerdings ist es auch schon dunkel. Heute gelingt es mir jedoch, auch im Dunkeln einen guten Platz für die Nacht zu finden. Gleich neben dem Fluss Sim (Сим) und mit Abstand zur Straße.
07.08.2012
Die Natur hier ist wirklich sehr schön. Macht Spaß so ausgeschlafen aufzustehen. Im Sim wasche ich mich morgens gleich mal. Da der Fluss sehr schwer zugänglich ist, hole ich kein Wasser, sondern wasche mich gleich im Fluss. Dass ich im Fluss Seife verwende, bereue ich später doch etwas, als ich sehe, wie jemand in einem Dorf Wasser aus dem Fluss holt. Weiter oberhalb im Flusslauf zwar, aber trotzdem…
Прекрасная природа. Там я спал в палатке.
Beautiful nature. I spend a night in the tent there.
Meine Stimmung in dieser Umgebung ist ausgesprochen gut. Wunderschön hier.
Отличное настроение. Здесь очень красиво.
In this environment my mood is really good.
Ich bin fast euphorisch, bis ich in Min’yar (Миньяр) versuche einzukaufen. Die Verkäuferin ist sehr wortkarg, und es kommt mir so vor, als ob sie mich nicht verstehen WILL. Es ist wieder kein Selbstbedienungsladen. Ich sehe die Waren, aber es dauert lange, bis ich wenigstens einen kleinen Teil von dem bekomme, was ich möchte. Obst gibt es nicht. Als ich sie frage, ob es ein weiteres Geschäft im Ort gibt, lächelt sie erstmals, und fragt, was ich denn kaufen wolle. Nun, das hatte ich lange und oft genug gesagt. Wenigstens bekomme ich auf dem Rückweg aus dem Ort noch zwei Bananen. An einer schönen Wiese am Fluss setze ich mich ans Ufer und freue mich auf das Frühstück. Zu früh gefreut. Drei junge Männer setzen sich etwa 20 Meter weiter und finden nichts Schlimmes daran, dass ihr Hund sich von mir nicht von meinem Frühstück vertreiben lässt. Als ich entnervt eingepackt habe und mein Rad auf den Weg zurückschiebe, rufen sie mir die Standardfragen nach. Ich bin immer wieder überrascht, dass solche Leute meinen, ich hätte jetzt noch Interesse an einer Unterhaltung mit ihnen. Wenn so ein Verhalten in Russland völlig normal wäre, müsste ich es als Gast im Land natürlich akzeptieren. Ich denke jedoch nicht, dass das eben in Russland so ist. Würden es die Einheimischen hinnehmen, dass Nachbars Lumpi an ihr Essen geht?
Bevor die Bananen in der Sonne auf 50 °C erwärmt werden, nehme ich den ersten Platz den ich etwas abseits der Straße finde. Irgendeinen Schotterhaufen neben einer Bahnlinie .
Später habe ich dann noch viele Kilometer sehr schöner Strecke, auf der Bäume immer Schatten geben. Endlich Wald. Oft verläuft die Straße ohne größere Anstiege direkt entlang der Bahnlinie.
Die Orientierung ist manchmal schwierig. Die Karten sind etwas ungenau. Ein Wegweiser zeigt die Richtungen für drei Orte an, einer davon ist Sim, wo ich nochmal für ungefähr 15 km auf die M5, die Fernstraße muss. Es soll rechts abgehen, aber es kommt nur ein kleiner Feldweg. Ob der wirklich gemeint ist? Ich fahre noch geradeaus, was sich später als richtig erweist.
Schöne Aussichten … ! Da wo sich bergrunter die LKW stauen, muss ich nun die M5 hoch. (Auf dem Bild unten sieht man die LKW ganz klein, knapp unterhalb des Horizonts – Wie Modelbauautos einer Model-Eisenbahn @ Hans-Gerd ;-) ).
Сейчас мне надо поехать в гору, по дороге, где вы можете видеть грузовиков, прямо ниже горизонта.
I have to go uphill now, on the road where you can see the trucks, right below the horizon.
Während ich dort hochkeuche, stellt fast jeder dritte, im Stau stehende, gelangweilte Autofahrer die Standardfragen. Klar freuen sie sich über ein bisschen Abwechslung, aber mir ist bei der Steigung nicht nach Interviews zumute .
Auf diesem Platz hätte ich meine Kamera ja gerne auf das Stativ gestellt und wäre durch das Bild geradelt. Aber immer wieder nutzen PKW-Fahrer den Platz, um mit hoher Geschwindigkeit die LKW rechts zu überholen. Da möchte ich nicht das Risiko eingehen, dass jemand den Fotoapparat übersieht oder auch nur einstaubt:
Nachts zelte ich nochmal neben einem Rastplatz. Ein Wachmann hat es mir erlaubt, ein anderer meint, es fiele in seine Zuständigkeit und erlaubt es ebenfalls. Auch gut, passen sie eben beide auf mich auf .
08.08.2012 (Mittwoch)
Wachmann Nr. 2 weckt mich. Nichts Bestimmtes, einfach nur so. Mal eben guten Morgen sagen. Geht ja nicht anders, wenn ich schlafe. Draußen gibt es fließend Wasser, gut abgeschirmt durch Wände. Wachmann Nr.1 hatte mir gestern den Platz gezeigt. Dort wasche ich mich, und reinige noch mein Zelt, das etwas staubig ist. Später sagt mir auch Wachmann Nr. 2, dass ich mich dort waschen kann. Sehr nett von ihm .
Nachmittags nehme ich mir auf der ruhigen Terrasse eines Cafes mal wieder Zeit zum Russisch lernen. Ich komme viel zu selten dazu. Danach fahre ich von der M5 ab, wieder auf ruhige Straßen. Obwohl die Straßen auf meinen Karten durch die Orte durchzuführen scheinen, liegen meistens ein bis drei Kilometer dazwischen.
Gegen 19:30 Uhr setzt der Feierabendverkehr ein. Innerhalb kurzer Zeit entsteht ein Stau aus zwei Fahrzeugen und einem Fahrrad:
Час пик. В течение нескольких минут есть пробка, состоящая из двух автомобилей и одного велосипеда.
Rush-hour. Within some minutes there is a traffic jam consisting of two cars and one bicycle.
Im Laufe des Tages bekomme ich widersprüchliche Informationen zu Qualität der Straßen, über die ich fahren möchte. Autofahrer empfehlen mir sehr große Umwege über stark befahrene Straßen. Aber auf dem Weg, den ich mir auf der Karte rausgesucht habe, sind die Straßen auch asphaltiert. Das ist mir am wichtigsten. Die Staub- und Schotterpisten möchte ich auf keinen Fall nochmal. Fahrrad, Taschen und ich werden dabei extrem dreckig, und einatmen möchte ich den Feinstaub auch nicht. Daher frage ich gleich mehrfach verschiedene Leute, ob die Straßen asphaltiert sind. Sicher ist sicher .
Я не хочу путешествовать на трассе только. Таким образом, я спросил некоторых людей о качестве улицы. Я не хочу иметь пыль, и гравий снова, так самое важное для меня это путешествовать на асфальтированной дороге.
I don’t want to travel on the highway only. So I asked some people about the quality of the street. I don’t want to have dust and gravel again, so most important to me is to travel on a paved road.
Auf besten, kaum befahrenen Straßen komme ich bis Nasibasch (Насибаш). Dort gibt es sogar ein Cafe am Weg. Draußen steht ein Tisch mit Bänken fest im Boden verankert. Das Essen, dass ich mir im Cafe geholt habe, kann ich nicht so genießen, da jemand mit einem uralten Motorrad kommt, es so abstellt, dass die Abgase zum Tisch ziehen und es etwa 20 Minuten mit laufendem Motor dort stehen lässt. Dann kommt noch eine angetrunkene Frau dazu, die penetrant mit mir auf unsere Bekanntschaft anstoßen will. Mein Bedürfnis nach dieser Bekanntschaft ist begrenzt.
Man trifft hier die freundlichsten, hilfsbereitesten Leute, aber auch sehr gleichgültige, rücksichtslose, störende. Die Extreme scheinen mir deutlich ausgeprägter zu sein, als in Deutschland.
In der Nähe zelte ich. Die Nacht ist etwas unruhig. Das Cafe hat rund um die Uhr geöffnet. Nachts kommen noch viele Leute, die Alkohol kaufen. Spät nachts toben mehrere Hund nahe am Zelt. Ich werde mehrfach wach.
09.08.2012 (Donnerstag)
Das Frühstück aus dem Cafe ist ein Grund für ein Foto . Ich habe mich schon öfter gefragt, warum Gaststätten beim Tee mit dem Wasser so sparsam sind. Die Teebeutel geben doch mehr her. Hier gibt es endlich mal eine große Tasse. Dazu eine fleischgefüllte Teigtasche, Spiegeleier und Brot. Das ganze Frühstück hat nur 1,50 Euro gekostet. Und beim Frühstück steht auch kein laufendes Motorrad daneben.
Завтрак.
Breakfast.
Diese Vögel sehe ich häufig auch aus der Nähe. Sei überfliegen scheinbar recht schnell ein großes Gelände und waren bisher immer bereits recht weit entfernt, wenn ich die Kamera schussbereit hatte. Weiß jemand, was für Vögel das sind?
Zwei Stunden nach meiner Abfahrt heute entdecke ich an einem kleinen Fluss eine sehr schöne Stelle, an der ich mich waschen möchte. Dummerweise kommt im letzten Moment eine Kuhherde genau an die Stelle, die ich mir ausgeguckt habe. Keine Ahnung, wo die plötzlich herkamen. Weiter oberhalb finde ich noch einen Platz für mich, die allerdings sehr steinig ist. Da auch der Hirte in Sichtweite ist, verzichte ich mal auf ein Vollbad. Das Wasser ist allerdings auch extrem kalt.
Wenig weiter liegt eine Quelle mit Trinkwasser am Weg. Ich habe zwar noch reichlich Wasser dabei, fülle mir aber trotzdem eine Flasche ab. Hoffentlich sehe ich solche Quellen noch öfter. Und möglichst bevor ich Wasser kaufe .
Die Strecke gefällt mir sehr gut. Ich fahre nochmal berghoch zurück, um sie zu filmen. Bei der Abfahrt kommt mir eine Touristengruppe zu Fuß entgegen. Das ist völlig untypisch für die Gegend hier, aber so ist es nun auf dem Film.
Heute ist es wieder sehr heiß. Keine Wolken am Himmel und nur selten Schatten. Ich mag mein T-Shirt nicht anziehen, weil es die ganze Zeit klitschnass geschwitzt wäre. Hoffentlich ist mein Rücken jetzt genug Sonne gewöhnt. Irgendwann komme ich an eine Bushaltestelle mit Wartehäuschen. Endlich Schatten. Kaum habe ich mein Essen ausgepackt und sitze im Schatten, stellt sich jemand mit seinem Auto ein paar Meter weiter an den Straßenrand und dreht die Boxen voll auf. Meine Hoffnung, dass er bald weiterfährt erfüllt sich nicht. Irgendwann sieht er mich auch noch und kommt rüber. Im Gegensatz, zu dem Mann der „Bingisch“ statt „Do you speak English?“ verstanden hatte, wiederholt dieser nun meine Antwort auf seine „Woher“-Frage in nahezu akzentfreiem Deutsch: „Nicht schon wieder!“
Wenig später gibt es zum Glück eine Stelle am Straßenrand, an der Bäume etwas Schatten spenden, und wo ich ungestört Pause machen kann:
In die Stadt Verchnie Kigi (Верхние Киги) geht es fünf Kilometer steil bergab. Unten fahre ich in eine Werkstatt, um eine Schraube von der Anhängerkupplung anzuziehen, die sich wieder löst. Dafür brauche ich jetzt einen zweiten 10er-Maulschlüssel.
Für meinen weiteren Weg wollen die mich doch tatsächlich den Berg wieder hochschicken. Erst nach mehrmaligem Nachfragen finde ich eine andere Strecke, die es nach meiner Karte auch geben sollte. Bei der Gelegenheit vergewissere ich mich noch einmal, dass die Straßen, über die ich fahren möchte, asphaltiert sind. Immerhin, asphaltiert sind sie, aber sie sollen sehr schlecht sein. Ich bekomme auch den Rat, den gesamten Weg zur M5 zurückzufahren und besser auf den Fernstraßen zu bleiben, bleibe jedoch dabei, jetzt über verkehrsarme Straßen durch den Ural fahren zu wollen.
Auf den letzten 20 Kilometern sehe ich heute noch viele kleine überdachte Holzhütten, die jeweils ein kleines Stück von der Straße entfernt sind. Heute brauche ich sie nicht mehr, aber wenn es morgen auch so heiß ist, kann ich in solchen Häuschen gut mal eine längere Pause machen.
Abends zelte ich hinter Bäumen, die Sichtschutz zur Straße geben und morgen früh steht das Zelt noch im Schatten.
10.08.2012 (Freitag)
Gegen Mittag finde ich eine schöne Stelle an einem Bach zum Baden. Von einer Brücke aus geht es steil runter. Gerade als ich ins Wasser will, kommt schon wieder ein Hirte mit seiner Kuh- und Ziegenherde. Genau wie gestern . Das ist nun gar nicht gut. Diesmal ist das Wasser oberhalb der Herde nicht zugänglich, und unterhalb der Herde möchte ich nun wirklich nicht ins Wasser. Nicht nur, dass sie ja den ganzen Schlamm aufwirbeln. Während die eine Hälfte der Herde trinkt, verrichtet die andere schon ihr Geschäft im Bach. Die Fäkalien sind sicher auch nicht gut für’s Beefsteak und die Bewohner weiter flussabwärts. Und da mache ich mir solche Gedanken wegen dem bisschen Seife… Ich werde aber trotzdem keine Seife in Bächen mehr verwenden.
Eine Möglichkeit mich zu waschen habe ich jetzt gar nicht. Und es ist wieder extrem heiß. Ach ja, und die schönen Holzhütten, von denen gestern so viele entlang der Straße standen, gibt es hier auch nicht. Dabei könnte ich sie nun gebrauchen. Es ist unglaublich heiß, und am Straßenrand stehen wieder keine Bäume. Offensichtlich ist nicht der ganze Ural bewaldet. Hier gibt es wieder keine Möglichkeit mal in den Schatten zu kommen.
Nur zwei Hütten sehe ich. Die auf dem Foto wurde aber offensichtlich schon oft als Toilette missbraucht, so dass sie als Rastplatz nicht zu gebrauchen ist. Eine weitere ist soweit ausgeschlachtet, dass sie auch nichts mehr nützt.
In Novobelokataj (Новобелокатай) kaufe ich zunächst Saft und finde zwischen dem kleinen Geschäft und dem Nachbargebäude etwas Schatten. Die Häuser stehen dicht zusammen, der Platz ist kaum größer als eine Abstellkammer und nicht sehr sauber, aber der einzige schattige Platz. Nahe am Stadtzentrum gibt es einen öffentlichen Brunnen, an dem ich mich wenigstens etwas frisch machen kann. Das Wasser, das ich noch in den Plastikflaschen habe, ist geradezu heiß, eine wirklich unangenehm hohe Temperatur. Ich mische es zum Waschen mit kaltem aus dem Brunnen. Schade, dass ich die Temperatur des Wassers in den Flaschen nicht messen kann. Ich frage mich, wie heiß Wasser wohl in durchsichtigen Flaschen werden kann, wenn die Flaschen im Sommer in der Sonne liegen. Auch beim Waschen bleibe ich nicht ungestört. Viele machen Fotos, einer filmt mich sogar dabei mit seiner Handykamera. Schade, dass ich von dem Typen kein Foto gemacht habe. Ein kleinerer, extrem dünner, ungepflegter Mann. Er wirkte in seiner ganzen Erscheinung alles andere als intellektuell. Während die anderen die üblichen Fragen stellen, steht er minutenlang praktisch regungslos mit offenem Mund da und hält mit beiden Händen sein Handy auf mich gerichtet. Zuerst dachte ich, der macht halt mehrere Bilder und ist irgendwie mit Einstellungen am Handy beschäftigt. Aber da er die ganze Zeit so dastand, nehme ich mal an, er hat gefilmt. OK, vielleicht braucht er das als Lehrfilm, um sich dann auch mal zu waschen. :-p
Bei der Hitze kommt mir in Erinnerung, dass es in Ufa hieß, es sei kalt, wenn der Wind vom Ural kommt. Ich frage mich, wie es kalt sein kann, wenn der Wind von hier aus kommt. Und immer wieder hatte ich allgemein gehört, im Ural sei es so kalt. Also heute trifft das jedenfalls überhaupt nicht zu.
Etwas Gutes zum Essen habe ich in den kleinen Geschäften nicht gefunden. Noch nicht mal Obst zu kaufen ist mir gelungen. Am Ortsausgang hole ich mir eine Familienpackung Eis und esse Brot dazu.
In der Zwischenzeit ziehen dichte Wolken auf. Als ich weiterfahre scheint wenigstens die Sonne nicht mehr. Im nächsten kleinen Dorf bekomme ich ebenfalls kein Obst. Es sieht stark nach Regen aus. Die Verkäuferin meint, dass es keinen Regen gibt. Morgen soll es wieder so heiß werden wie heute. Witziger weise fängt es genau in dem Moment an zu regnen, als ich aus dem Laden gehe. Aber ein bisschen hatte die Verkäuferin schon Recht. Es regnet nicht stark und nur kurz. Mit dem kurzen Regen kommt auch starker Wind auf, der sich aber ebenfalls schnell wieder legt.
Einen kleinen Laden gibt es kurz vor dem Ortsausgang noch. Links im Gebäude ist das Geschäft, in dem ich nichts Geeignetes finde, rechts feiert in einem größeren Raum eine Gesellschaft, eine Hochzeit nehme ich an.
Vor dem Haus fragen mich Kinder über meine Reise aus. Die fünfte Frage ist schon die nach dem Geld. Ich bin mir nicht sicher, was sie genau wissen wollen. Was die ganze Reise kostet, oder wie viel ich dabei habe? Nachdem die Frage gestellt ist, scheint sie allen Kindern sehr wichtig zu sein. Schade, dass das für die Kleinen schon eine so wichtige Frage ist.
Eine junge, sehr festlich gekleidete Frau kommt mit einem Tablett aus dem Haus und bietet mir einen Wodka und Schnittchen an. Eine halb volle Flasche Mineralwasser hat sie mir auch noch mitgebracht .
Wenige Meter weiter schaue ich mir noch eine Erinnerungsstätte für Gefallene des Zweiten Weltkriegs an, der in Russland Großer Vaterländischer Krieg heißt. Über 200 Namen werden aufgeführt. So viele Gefallene aus so einem kleinen Dorf. Unbegreiflich, wie Menschen so etwas anrichten können. Man müsste alle Soldaten und Machthaber verpflichten können, ein Land, das sie angreifen wollen, vorher auf eigene Faust zu bereisen und die Menschen kennen zu lernen.
Am Ende des Dorfes fängt dann überraschend doch wieder so eine Schotterpiste an. Bin gespannt wie lang das Stück bis zum Asphalt ist. Es staubt wieder fürchterlich, wenn schnelle oder schwere Fahrzeuge vorbeikommen. Und ich komme nur etwa mit 5 km/h voran.
Люди мне голорили что дорога здесь есть асфальтираванная. Но теперь опять только пыль вокрук меня.
Я решил ездить в ночное время потому что ночью мало машин.
I was told several times that the road is paved but now again there is only dust around me.
I decide to travel by night, because at night there are fewer cars.
Nach 20 Kilometern steht ein Wagen mit Reifen- oder Radschaden am Straßenrand. Ich frage kurz, ob ich helfen kann. Der Fahrer braucht ein Reserverad. Schon der nächste Wagen, der vorbeikommt hält, und der Fahrer leiht dem anderen sein Reserverad. Der zweite scheint sich hier gut auszukennen. Da frage ich ihn doch mal, ab wo die Straße wieder asphaltiert ist. Ein kleiner Schock: Es sollen noch 100 Kilometer sein. Diese Straße, die nächste, die ich dann ein Stück nach Westen muss, und die daran anschließende, die weiter nach Norden geht.
Oh weh, wenn ich bei dem Gerüttel nach sechs Stunden nicht mehr sitzen kann, und mit 5 km/h vorrankomme, dann bin ich für 100 km drei Tage unterwegs. Also auch drei Tage nur Staub.
Umdrehen dürfte leider kaum in Frage kommen. Ich überlege unterwegs nur, ob ich besser nachts fahre, wenn durch den geringeren Verkehr weniger Staub aufgewirbelt wird, oder tagsüber, wenn ich besser sehen kann, wo die Straße am ehesten befahrbar ist. Manchmal ist es die Mitte, es kann aber auch einer der Straßenränder sein.
Ich entscheide mich für nachts. Während zu Beginn der Piste noch ganz leichter, nicht fühlbarer Wind von der Seite kam, der den Staub wenigstens ganz langsam zur Seite trägt, wird es nun absolut windstill. Fünf Minuten nachdem ein Auto vorbeigefahren ist, scheint der Staub noch unverändert über der Straße zu hängen. Nach etwa 10 Minuten ist die Luft wieder klar. Es dauert also ungefähr 7 bis 8 Minuten bis sich Staub halbwegs gelegt hat. In der Nacht kommt ungefähr alle 15 Minuten ein Auto. Auf dem Schotter steigere ich meine Geschwindigkeit auf ca. sieben km/h. Hoffentlich geht nichts an Rad oder Ausrüstung kaputt. Zeitweise kann ich in den Fahrspuren der Autos auch mal schneller fahren, mit 10 – 15 km/h.
Erstaunlich, dass hier noch was wächst. Verstaubte Pflanze am Straßenrand:
Während der Fahrt komme ich nicht so richtig darüber hinweg, dass mir mehrfach bestätigt wurde, die Straßen seien asphaltiert. Irgendwann kommt mir zwar mal der Gedanke, ob das hier in Russland auch als Asphalt bezeichnet wird, aber zumindest der Autofahrer, der mir sagte, es seien noch 100 km, verwendete das Wort so, wie ich es auch vom Deutschen her erwarten würde.
Eine Schlange sehe ich auch mal wieder. Da ich nicht weiß, ob sie giftig ist, gehe ich nicht zu nah ran. Später in Ekaterinburg höre ich, dass sie ungefährlich ist. Es soll auch giftige geben, die aber etwas bräunlicher sind und keinen gelben Fleck haben. Die ungiftigen nehmen Leute manchmal mit nach Hause, um keine Mäuse im Haus zu haben. Ich finde den Gedanken ganz witzig, dass ich mich für die Sache mit dem Asphalt zu rächen könnte, indem ich mal ein paar Giftschlangen gelbe Flecken aufmale .
Nach 50 bis 60 Kilometern geht eine asphaltierte Straße nach rechts ab. Nach meinem Tachostand müsste hier auch die Straße kommen, in die ich weiter nach Norden will. Leider steht kein einziges Schild dort, während auch kleinere Dörfer vorher immer ausgeschildert waren. Ich biege mal auf die Straße ab, was sich als richtig erweist. Der Asphalt hier scheint ganz neu zu sein. Da bleiben mir doch einige Kilometer Schotter erspart.
Wasser habe ich noch reichlich und hungern müsste ich auch nicht. Da könnte ich es morgen mal ruhig angehen lassen, vielleicht sogar das Zelt einen Tag stehen lassen und einfach mal Pause machen. Einen richtig guten Platz zum Zelten finde ich jedoch nicht. Die halbe Nacht reichte der Wald bis an die Straße heran, jetzt stehen wieder nur ein paar kleine, dünne Bäumchen in einigem Abstand zur Straße. Ich zelte dort von morgens bis mittags und fahre dann weiter.
11.08.2012 (Samstag)
Zunächst ist es noch bewölkt. Zum Glück, da ich ja keinen schattigen Platz für das Zelt gefunden hatte. Von gestern Morgen bis heute Morgen war ich lange genug unterwegs. Heute werde ich nur fahren bis ich einen schönen Platz zum Verweilen gefunden habe.
Ich bin immer noch nicht so ganz darüber weg, dass es hieß die Straßen seinen asphaltiert. Wie konnten die sich so irren?
Vielleicht war es ja Absicht . Abends sitzen die Leute dann bestimmt am Stammtisch und erzählen:
„Kam doch so’n Radfahrer und fragte, ob da Asphalt ist. Hab natürlich ‚Ja‘ gesagt.“
Die Runde kriegt sich vor Lachen kaum noch ein. Jeder trinkt drei Flaschen Wodka auf den genialen Schalk. Davon werden die Enkel noch erzählen. „Asphaltiert! *gröhl*“. Morgen wollen sie dann Bowlen gehen. Fragt einer: „Ist die Bahn auch asphaltiert?“. Und wieder hört man lange Gelächter über den Dörfern.
Gestern hatte ich durch einen Anruf von meinen Eltern erfahren, dass das Päckchen, welches ich vor ungefähr vier Wochen aus Kamyschin nach Hause geschickt hatte, wieder zurück nach Russland gegangen ist, bevor es Ihnen zugestellt wurde. Sie brauchen jetzt die Sendungsnummer. Da in der Zwischenzeit keine Speiche gebrochen ist, dafür die Befestigung für die Anhängerkupplung zwei Mal gebrochen war, habe ich umgepackt, um den Anhänger zu entlasten. Natürlich habe ich dabei mehr nach Gewicht gepackt, als nach Inhalt. Keine Ahnung wo der Beleg jetzt ist. Ich meine, er hätte die Größe eines Kassenbons gehabt, bin mir aber auch da nicht sicher. Bei der Hitze, dem Staub, dem Wind, den ich kurzzeitig hatte und weil fast immer Leute neben mir halten, sobald ich irgendwo anhalte, bin ich noch nicht so richtig zum Suchen gekommen.
Auch als ich mich heute Morgen gewaschen habe, kamen auch gleich zweimal Leute dazu. Da ich mit dem Fahrrad nicht von der Straße runtergekommen bin, hatte ich es am Straßenrand stehen gelassen und war selber so weit gegangen, dass ich es gerade noch im Auge behalten konnte. Die ersten, die hielten und mir beim Waschen Gesellschaft leisteten, wollten nur nach dem Weg fragen. Sicher ist man hier auf gegenseitige Hilfe angewiesen, ich habe aber mal für mich behalten, dass ich Karten dabei habe, da ich mich ungestört weiter waschen wollte. Was der Zweite wollte habe ich nicht verstanden. Er gehörte zu den Leuten, die überall auf den Boden rotzen müssen und machte das nun geräuschvoll dort, wo ich mich gerade wusch. Damit hatte er sich ohnehin jede Chance auf eine Antwort verspielt.
Bevor ich jetzt meine Taschen auspacke, die nach dem Kurzregen eher verschmiert, als verstaubt sind, brauche ich mal einen passenden Platz dafür, ohne dass sich gleich noch eine Menschenmenge einfindet, von denen manche vielleicht sogar noch in meinen Sachen wühlen wollen, oder wieder den Boden vollrotzen.
In Michajlowksk (Михайловск) fahre ich kurz einkaufen. Endlich bekomme ich auch mal wieder Obst . Auch diese Stadt liegt nicht, wie es auf der Karte den Anschein hat, direkt am Weg. Immerhin komme ich danach auf eine größere, stärker befahrene Straße, an der es ein Cafe gibt. Dort mache ich länger Pause und frage, ob auf der Straße, die zur Fernstraße Perm-Ekaterinburg führt, noch eine Raststätte, oder ein Hotel kommt. Dieser Platz hier scheint mir zum Zelten ungeeignet. 30 km sollen es ein. Das schaffe ich nicht mehr bevor es dunkel wird. Ich riskiere es mal und verlasse mich auf die Information. Sollte es nicht klappen, fahre ich bis zur Fernstraße weiter, dort sollte es auf jeden Fall wieder Raststätten geben. Vor allem habe ich mal wieder das Bedürfnis mich waschen zu können.
Tatsächlich sehe ich unterwegs absolut nichts. Ich kann mir kaum vorstellen, eine Raststätte übersehen zu haben, da absolut gar nichts am Weg lag, auch keine Tankstelle, oder sonst irgendein Gebäude oder Platz. So fahre ich heute doch noch insgesamt 80 Kilometer, obwohl ich mir ja eigentlich einen ruhigen Tag machen wollte.
Abends ist es noch sehr warm. Auch als es schon dunkel ist läuft der Schweiß in Strömen, wenn es bergauf geht.
Auf der Fernstraße nach Ekaterinburg kommt dann tatsächlich direkt eine Raststätte. Dass sie relativ teuer ist, würde ich vielleicht in Kauf nehmen, aber sie haben keine Zimmer frei. Ich ruhe mich erst mal aus und trinke und esse was. Dabei komme ich mit dem Mitarbeiter ins Gespräch, der den Parkplatz bewacht. Er ist aus Usbekistan. Ganz interessant für mich. Er spricht wohl zwischendurch mit den Angestellten vom Hotel und sagt mir, ich könne das erste Zimmer bekommen, das morgens frei wird. Gegen sechs Uhr ist es dann soweit. Zunächst soll ich das Zimmer für den Preis nur für genau 24 Stunden bekommen, kann aber aushandeln, dass ich wenigstens ausschlafen kann. Also kann ich für den Preis von einer Nacht heute Vormittag meinen Schlaf nachholen und dann noch die nächste Nacht bleiben. Den Tag dazwischen nutze ich, um meine Taschen zu duschen, den Beleg zu suchen, Fotos zu bearbeiten und mir Notizen zu machen. Und vor allem habe ich endlich mal wieder eine Gelegenheit mich gründlich zu duschen. Der befürchtete Sonnenbrand auf dem Rücken ist ausgeblieben. Wahrscheinlich war auch mein Rücken so verstaubt, dass gar keine Sonne mehr durchkam .
Raststätte an der Fernstraße nach Ekaterinburg:
Гостиница на дороге в Екатеринбург.
Hotel on the highway to Ekaterinburg.
Mir fällt übrigens auf, dass es hier nirgends Mücken gibt. Außer in Rostow hatte ich, soweit ich mich erinnere, nur einmal ein paar Mückenstiche. Vor der Reise war ich davon ausgegangen, dass die Mücken hier ein größeres, unangenehmes Problem werden könnten. Ich vermute, dass die Spinnen vom Mars alle Mücken gefressen haben . Elena in Ufa sagte, dass es die Spinnen, die ich fotografiert habe, hier früher nicht gab. Sie meinte, die müssten wohl von einem anderen Planeten gekommen sein. Spiders from Mars
. Erinnert doch irgendwie an David Bowie. Leider habe ich Bowies „The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars“ nur auf Vinyl, nicht als MP3, sonst hätte ich jetzt gerne mal wieder reingehört. Der Gedanke, dass Spinnen vom Mars alle Mücken gefressen haben, gefällt mir jedenfalls.
Aber die erwarteten Birkenwälder gibt es endlich. Damit hatte ich in Russland ja auch gerechnet. Klar, Spinnen fressen ja auch keine Birken .
13.08.2012
Ich fahre erst mal wieder ohne Frühstück los. Oft mache ich dann nach ein bis zwei Stunden Frühstückspause. Nach 20 km liegt ein Cafe mit Hotel auf dem Weg. Dort hätte ich sogar zelten und für 150 Rubel (knapp vier Euro) duschen können. Aber OK, 20 km mehr wären vorgestern auch recht anstrengend geworden. Heute, nach einem Ruhetag, fährt das Fahrrad fast von selbst
Jetzt müssen es noch ungefähr 15 Kilometer sein, bis der asiatische Teil Russlands anfängt.
Irgendeinen Grenzstein oder ähnliches entdecke ich leider nicht. 40 km vor Ekaterinburg, hatte ich im Internet gelesen, sollte es sein. Da bin ich längst dran vorbei. Sehr schade, ich hätte solch ein Foto zu gerne für meine Seite und eventuelle Reisevorträge später gehabt. Im Internet stand, es sei bei Pervouralsk. Wahrscheinlich eine Straße, die parallel zu dieser verläuft. Wenn ich es genau wüsste, würde ich hinfahren. Da ich den Ort nicht kenne, fahre ich aber hier weiter. An einer weiteren Raststätte frage ich nochmal nach einem entsprechenden Monument oder Grenzstein, aber sie können mir nichts dazu sagen.
Neben der autobahnähnlichen Straße stehen bei einem medizinischen Notfallzentrum zwei Rettungshubschrauber. Da es hier noch nicht mal so etwas wie eine Pannenhilfe zu geben scheint, fand ich das jetzt ziemlich überraschend.
Я никогда не видел техническое обслуживание автомобилей здесь поэтому теперь, я удивлён видеть спасательный вертолёт.
I have never seen an automobile roadway repair service here so now I am surprised to see a rescue helicopter.
Hm, eine kleine Windmühle. Ist das nun noch Europa, oder bin ich schon in Asien?. Meinem Tachostand nach müsste ich schon in Asien sein.
Es scheint eher ein Freizeitpark zu sein.
Die nächste Überraschung: Viel näher an Ekaterinburg als erwartet, kommt dann doch noch die „Grenze“. Der Grenzstein ist leider auf der gegenüberliegenden Seite. Die Straße ist zweispurig in jede Richtung, stark befahren und durch eine doppelte Mittelleitplanke geteilt.
Воображаемая граница между Европой и Азией с памятником.
Imaginary borderline between Europe and Asia with monument.
Ich habe natürlich nicht darauf geachtet, wo die Leitplanke anfängt. Auf dieser Straßenseite zurückfahren möchte ich daher nicht. Nun schleppe ich alles was ich dabei habe über die Straße. Auch Autofahrer halten an und nutzen Lücken im Verkehr, um auf die andere Seite zu kommen. Hier würde sich eine Brücke lohnen. Aber was soll’s – Wie ich später an den Dateidaten meiner Fotos sehe, ist es nur eine Fahrradstunde bis zum Rettungshubschrauber.
Blick nach vorne. So sieht es also in Asien aus :
Вид в Азию.
View to Asia.
Good bye, Europa:
До свидание, Европа.
Good bye, Europ.
Und nun ab nach Asien, mit zwei Kameras auf dem Stativ an der Mittelleitplanke. Eine macht ein Foto pro Sekunde, die andere filmt. Hier ein Screenshot vom Film, der den Moment am besten trifft:
Покидая Европу.
Leaving Europ.
Am Monument habe ich etwa drei bis vier Stunden mit Fotografieren und Filmen verbracht. Danach habe ich eine Pause gegönnt. Jetzt bin ich also in Asien.
Auf den letzten Kilometern nach Ekaterinburg gibt es unter anderem viel Werbung für Fahrradgeschäfte:
Реклама.
Advertisment.
Ich fahre spät abends noch bis Ekaterinburg. Um 1 Uhr fängt es an zu regnen. Als es um 2 Uhr wieder aufhört, bin ich zu müde, um noch nach einem Platz zum Zelten zu suchen. Daher schlage ich mein Zelt direkt in einer Seitenstraße der größten Straße, dem Leninprospekt, auf. In Ufa hatte ich ja auch mitten in der Stadt gezeltet.
14.08.2012
Ich schlafe lange. Wie auch schon in Ufa bleibe ich mitten in der Stadt ungestört. Ich setze meinen Weg von gestern über den Leninprospekt fort. Nach kurzer Zeit komme ich an einem Cafe mit WiFi vorbei und lese und beantworte erst mal emails. Leider fällt das WiFi dann aus. Fünf Minuten soll es noch dauern, heißt es, als ich nach einer halben Stunde frage. Insgesamt werden es dann aber doch anderthalb Stunden, bis ich endlich die letzte Mail abschicken kann.
Hans-Gerd schreibt, dass seine Tochter meint, die Spinnen, die ich fotografiert habe hießen Wespenspinnen. Danke für die Information. Freue mich immer über Feedback.
Fotos bei Wikipedia bestätigen mir, dass es wirklich Wespenspinnen sind, die wegen ihres Aussehens so heißen.. Außerdem finde ich zum Verbreitungsgebiet Folgendes:
„Verbreitung und Lebensraum
Die Wespenspinne war bis vor etwa 50 Jahren in Mitteleuropa sehr selten; ihr Vorkommen war auf wenige Verbreitungsinseln in der Oberrheinischen Tiefebene, im Rhein-Main-Gebiet und in der Umgebung von Berlin beschränkt. Seitdem hat die Art ihr Areal stark vergrößert und ausgedehnt. Mittlerweile ist sie in fast allen europäischen sowie in einigen asiatischen und nordafrikanischen Ländern anzutreffen.“ (Wikipedia)
Also doch nicht vom Mars? Der Planet, von dem sie gekommen sind, soll Deutschland sein? Also mir gefällt das mit dem Mars aber viel besser. Man hat es ja manchmal schon schwer mit der Wahrheit. Wo bleibt da der Spaß?
Nun wird es Zeit meinen Weg fortzusetzen. Alle emails gelesen und geschrieben, dann geht weiter über den Leninprospekt.
Oh, was sehe ich da… Spieglein, Spieglein an der Wand – Wer ist der Schönste im Russenland? :-) (Die Fotos habe ich gedreht, dann sind sie nicht mehr spiegelverkehrt.):
Зеркало напоминает мне о сказке “Белоснежке”. Кто будет самым красивым в России?
Like in the fairy tale “Snow White” I’d like to ask:
“Mirror, mirror on the wall, who is the fairest one of all?”
Auf dem Weg schaue ich mir zwei Hotels an. Das eine ist sehr teuer. Trotzdem sehe ich mir das Zimmer mal an. Das Hotel macht einen sehr guten Eindruck. Wäscheservice gibt es, Frühstück ist im Preis inbegriffen. Ein weiteres Hotel wäre preiswerter, sie haben aber keine preiswerten Zimmer frei. Dort empfiehlt man mir das Hotel Bol’shoj Ural (Большой Урал). Ich werde da morgen mal vorbeischauen, da ich wohl noch eine Nacht zelte. In der Stadt werde ich nicht so oft von nervenden Leuten angesprochen, dafür kommen durch das Fahrrad eher interessante Kontakte zustande. Den Vorteil möchte ich jetzt mal bewusst nutzen und schauen was sich noch ergibt.
Anschließend gehe ich essen. Ich radel noch den Leninprospekt weiter entlang und auf der anderen Seite wieder zurück. Es gibt Museen, jede Menge Restaurants und Cafes. Abends gehe ich in einer Kantine (Столовая) noch mal essen. Das ist sehr preiswert und ich denke, ich könnte mich im Supermarkt auch nicht günstiger versorgen. Sie haben dort sogar WiFi, und Tee und Kaffee kosten nicht viel . Etwa ein Viertel von dem, was ich heute Nachmittag im Cafe bezahlt habe. Den Platz merke ich mir mal für morgen.
Anschließend schreibe ich Ceva noch eine sms, da ich mich gerne genauer über die Aktivitäten von ihm und seinen Leuten für die Radfahrer in Ekaterinburg informieren möchte.
Ceva hatte mich gestern Abend angesprochen, als ich nach Ekaterinburg reingefahren bin, und er hat mir seine Handynummer gegeben.
Als Ceva abends antwortet, fahren wir uns zufällig wieder über den Weg. Er zeigt mir noch einen Park, der mir von jemandem als Platz zum Zelten empfohlen worden war. Der Park ist aber unbeleuchtet. Stockdunkel. Ich denke, wenn da mal jemand abends Stress macht, wäre es eine recht unangenehme Situation. Da ist mir ein Grünstreifen in einer ruhigen Seitenstraße doch lieber.
Später abends begegnen mir Daniel aus Deutschland und zwei junge Leute aus Ekaterinburg. Sie haben sich über Couchsurfing kennen gelernt. Daniel übernachtet dort. Sie haben sogar noch Platz und bieten mir an mitzukommen. Ich ziehe es jedoch vor unabhängig zu bleiben, und habe außerdem gar keine Lust schon schlafen zu gehen.
15.08.2012 (Mittwoch)
Ich habe am selben Platz gezeltet wie letzte Nacht. Danach fahre ich in die „Stolovaja“, eine für jeden offene Kantine, in der ich gestern schon war und arbeite am nächsten Update für meine Seite.
Ein junger Mann kommt an den Tisch und fragt, ob das mein Rad ist. Ohne die Antwort abzuwarten setzt er sich schon mit an den Tisch.
- Sprechen Sie Englisch?
- Ja.
- Ist das Ihr Fahrrad? (setzt sich)
- Ja, aber ich möchte weiter schreiben.
- Ich möchte nur mit Ihnen reden.
- Es tut mir leid, aber ich möchte weiter schreiben.
- Das heißt, dass ich gehen kann?
- Ja.
Am frühen Abend treffe ich mich mit Juri, einem Freund von Ceva. Wir sind am Lenindenkmal verabredet. Es zu finden ist nicht schwer: Ich erkenne es von weitem, an Lenins ausgestrecktem Arm.
Когда я приехал в Екатеринбург, я встретил Севу, молодого человека, который живёт в этом городе. Сегодня я встречаюсь с Юрием, одним из друзей Севы. Я могу принять душ в его доме и использовать его стиральную машину . Мы встретимся в памятнике Ленина, которого я узнаю легко из-за протянутой руки.
Ксати, я спал в своей палатке в центре города .
When I came to Ekaterinburg I met Seva, a young man living in this town. Today I meet with Juri, one of Sevas friends. I can have a shower at his home and use his washing machine . We will meet at the Lenin monument, which I recognise easily because of the outstretched arm.
By the way, I slept in my tent in town centre .
Juri bietet mir an bei ihm ein paar Tage zu wohnen. Ich nehme das Angebot zwar nicht an, da ich ganz unabhängig bleiben möchte, kann bei Juri aber duschen und seine Waschmaschine nutzen.
Blick von Juris Balkon:
Вид из балкона Юрия.
View from Juris balcony.
Anschließend fahren wir mit seiner Nichte in die Stadt und treffen uns mit seiner Freundin und Ceva.
Von links nach rechts: Juris Freundin, ein weiterer Mann, der sich uns angeschlossen hat, Ceva, Juri und Juris ältere Nichte:
Подруга Юрия, другой человек присоединился к нам, Сева, Юрий и племянница Юрия.
Juris girl friend, another man who joined us, Seva, Juri and Juris niece.
Wir fahren zu einem See am Stadtrand. Dort könnte ich auch zelten, finde den Platz im Stadtzentrum aber besser.
Juris Schwester hat mir das Abendessen spendiert, das ich mir im Zelt schmecken lasse. Ganz hervorragend . Vielen Dank dafür.
16.08.2012 (Donnerstag)
Nachmittags schreibe an meiner Seite weiter. Wieder in der Kantine. Leider gibt es keinen Platz das Fahrrad unterzustellen, als es regnet. Ich entscheide mich ab heute in ein Hotel zu gehen. Es ist das preiswerteste, das ich gefunden habe. Irgendwie sind im Regen einige Sachen in einer eigentlich wasserdichten Tasche nass geworden. Hoffentlich hatte ich sie nur nicht richtig geschlossen. Ein Loch entdecke ich erst mal nicht. Kein allzu großer Schaden zum Glück. Ein Buch und mein Notizblock sind betroffen. Bevor das Papier verklebt kümmer ich mich erst mal darum. Später als geplant gehe ich dann in die „New Bar“. Ceva (links im übernächsten Bild) legt dort heute auf.
Auf dem Weg komme ich am Ratskeller vorbei:
Welcome to Germany?
В «New Bar»: Сегодня Сева работает Диджеем.
In the “New bar”: Today Seva working as DJ.
In der „New Bar“:
Morgen tritt hier jemand aus Deutschland auf. Dad Horse Ottn aus Bremen:
Завтра будет концерт в «New Bar»: Dad Horse Ottn, музыкант из Германии.
Tomorrow there is a concert in the “New Bar”: Dad Horse Ottn, an artist from Germany.
Mit Kseniya, die ich in der New Bar kennen lerne, gehe ich noch in eine andere Bar, deren Namen ich vergessen habe.
17.08.2012 (Freitag)
Die Dusche im Hotel ist außer Betrieb, weil es kein heißes Wasser gibt. Die Toilette auf der Etage ist … sagen wir mal … „gewöhnungsbedürftig“. Vor allem wegen des Geruchs. Es gibt aber auch keine Haken um eine Jacke irgendwo hinzuhängen. Alles recht schmuddelig. Die Angestellten stehen meist rum und telefonieren mit ihren Handys. Haben wohl alle eine Flatrate. Klopapier selbst dabei zu haben ist ja wohl selbstverständlich. WiFi ist zu langsam um auch nur die emails zu lesen. Immerhin funktioniert einer von den beiden Aufzügen.
Abends gehe ich in die New Bar.
Dad Horse Ottn aus Bremen:
Es sind noch mehrere Deutsche in der New Bar. Das Deutsche Generalkonsulat von Jekaterinburg ist wohl an der Organisation beteiligt, wenn ich das richtig verstehe. Auf der Seite vom Generalkonsulat finde ich folgende Information zu Dad Horse Ottn:
Dad Horse Ottn – Kellergospel aus Bremen
“Dad Horse Ottn“ aus Bremen kommt für mehrere Auftritte in die Uralregion gereits. Seine Musikrichtung, die er selbst als „Keller Gospel“ beschreibt, ist eine bunte Mischung aus dem Folk der amerikanischen Appalachen, deutschem Country, Garage Blues/Punk und Balladen. Der Solokünstler performt auf der Bühne leidenschaftlich mit dem Tenorbanjo, dem Basspedal und der Kazoo. Der Gesang dazu ist schräg und verrückt; seine Texte voll schwarzem Humor, ironisch bis zum Schluss und doch irgendwie philosophisch.
Weitere Informationen findet Ihr im Internet, wenn es Euch interessiert. Ich bin mit Links noch zurückhaltend, wie ich schon mal geschrieben hatte, da ich zur Zeit kein Impressum habe. Dies wiederum mangels Wohnsitz und Anschrift.
18.08.2012 (Samstag)
Das Frühstück im Hotel ist mäßig, Nudeln mit Ketchup und Weißbrot sind für mich noch die beste Wahl.
Heute findet ein großes Stadtfest statt. Ekaterinburg wird 289 Jahre alt.
Happy birthday, Ekaterinburg!
Ich gehe zu Fuß in die Stadt. Ziemlich viel Klamauk, wie wohl auf anderen Stadtfesten auch. Leute in Kostümen werben für alles Mögliche, Motorradfußball ist laut und verpestete die Luft. Überall läuft laute Musik, meistens hört man drei oder vier verschiedene Sachen aus unterschiedlichen Richtungen gleichzeitig. Ich bleibe nicht sehr lange in der Stadt. Außerdem regnet es die meiste Zeit ganz leicht.
Городской фестиваль.
City festival.
На фестивале.
At the festival.
Ekaterinburg war bis 1991 für Ausländer gesperrt. Auch Sowjetbürger durften nur mit Genehmigung in die Stadt. Dort wo es jetzt einen großen Park gibt, sollen früher Industrieanlagen für Rüstungsgüter gestanden haben:
Im Hotel schreibe ich noch an meiner Seite weiter und wähle dann noch Fotos von meiner Reise für heute Abend aus. Es gibt eine kleine Veranstaltung von Fahrradinteressierten, auf der ich erzählen werde. Juri berichtet von seiner Radtour durch Italien, und dann kommt noch eine Frau, die mit dem Fahrrad von Ekaterinburg nach Wladiwostok gefahren ist. Einer meiner USB-Sticks geht nicht, bei einem anderem ist das Gehäuse aufgegangen. Da hat die schlechte Straße wohl doch noch einen kleinen Schaden angerichtet. Hoffentlich funktioniert die externe Festplatte noch. Ich muss aufpassen, dass ich nicht irgendwann mal alle Fotos verliere. Doppelt speichere ich sie mindestens.
Die Frau, die nach Wladiwostok gefahren ist, kommt leider nicht. Wahrscheinlich wegen dem Stadtfest kommen nur wenige Leute. Finde ich so aber ganz gut. Ist halt recht privat .
Вечером мы встретились с некоторыми велосипедистами и заинтересованными людьми и показали фотографии наших туров.
In the evening we meet with some cyclists and interested people and showed photos of our tours.
Anschließend gehen Ceva und ich noch in ein Brauhaus und anschließend ins Gordon’s einem Britische Pub.
Впоследствии я и Seva пошли в пивной бар и …
Afterwards I and Seva go to a brewery and …
… в ирландском баре.
… in an Irish Pub.
Ich hatte vor einiger Zeit geschrieben, dass einige Leute hier deutsche Wörter kennen, die wahrscheinlich noch aus der Kriegszeit überliefert sind. Zum Glück gibt es auch erfreuliches zur Verbreitung der Deutschen Sprache zu berichten. Die Wörter „quadratisch, praktisch, gut“ sind auch sehr bekannt, da sie, am Ende der ansonsten russischsprachigen Werbung, auf Deutsch gesendet werden. Einem verbreiteten Witz zufolge wirbt der Slogan jedoch nicht, wie man meinen könnte, für Schokolade, sondern für russische Autos .
19.08.2012 (Sonntag)
Den Aufenthalt im Hotel habe ich bis Dienstag verlängert. Den größten Teil des Tages verbringe ich mit dem Update meiner Seite. Immerhin gelingt es mir, auch die Startseite in eine vernünftige Reihenfolge zu bringen, und Links auf die weiteren Seiten einzufügen, die man hoffentlich ohne Anleitung findet . Das Hochladen der Bilder dauert wieder ewig. Später gibt es mehrfach Fehlermeldungen (Seitenladefehler). Das letzte Bild für den Tag hochzuladen, es ins Internet zu stellen und mich auszuloggen dauert fast eine halbe Stunde.
20.08.2012 (Montag)
Fortsetzen des Updates. Ich denke, ich sollte noch einen Tag länger bleiben, um mir noch mal in Ruhe Ekaterinburg anzusehen. Ein gutes Buch habe ich noch nicht gefunden, nur eine Broschüre auf Russisch.
Noch mal zum Thema „Spieglein, Spieglein, an der Wand …“:
Es gibt doch tatsächlich Leute in Ekaterinburg, die meinen, sie hätten auf einem bisher unveröffentlichten Spiegelfoto einen schöneren Menschen entdeckt als mich!
Во время слайд-шоу кто-то сказал, что есть человек красивее чем я в одной из “фотографий зеркала”.
In the slideshow someone mentioned that there is a more beautiful person in one of the “mirror-photos” than me.
Sollte das etwa Schneewittchen (Белоснежка) sein? . Ganz ausschließen kann man das nicht. Immerhin ist Ufa eine Stadt mit sieben Bergen, und ich bin schon hinter Ufa.
Неужели это Белоснежка? Это возможно, потому что Уфа – город с семью горами, и я уже нахожусь позади Уфы.
Should this be Snow White? It’s possible because Ufa is a town with seven mountains, and I am behind Ufa already.
…………………………..
Update 11.09.2012
…………………………..
Am Abend gehe ich noch in die Stadt und fotografiere:
Ночной Екатеринбург.
Ekaterinburg by night.
Unterwegs sehe ich auch ein größeres Buchgeschäft. Es hat schon geschlossen, aber morgen kann ich hier nochmal nach Reiseführern schauen.
21.08.2012
Den Hotelaufenthalt habe ich nochmal um einen Tag verlängert und dabei gleich das Zimmer gewechselt. Im alten Zimmer klemmt das Türschloss fürchterlich. Einmal hatte ich die Tür gar nicht aufbekommen und musste mir telefonisch Hilfe von außen holen. Insgesamt hat es eine Stunde gedauert, bis die Tür endlich auf war. Zum Glück würde man die Tür problemlos auftreten können, wenn es brennt. Und das kann schon passieren. Im selben Gebäude war unten bis im letzten Jahr eine Kneipe, die geschlossen ist, seit es dort gebrannt hat.
Den Tag nutze ich jetzt, um mir Ekaterinburg nochmal anzuschauen. Zwischendurch verbringe ich etwa zwei Stunden in dem Buchgeschäft, dass ich gestern Abend entdeckt hatte. Einen Reiseführer kaufe ich nicht. Ich würde ihn dann ja doch nicht wegwerfen, und hätte bis auf Weiteres noch mehr Gepäck. Da lese ich ihn doch besser im Buchgeschäft und lasse ihn dann da . Anschließend schaue ich mir Deutschbücher an und entdecke eine ganze Menge interessanter Bücher im Bereich Sprachen. Wie wäre es mit einem Buch über die Entwicklung der Englischen Sprache auf Russisch? Hehe. Es gibt schon viele interessante Bücher. Zweisprachige Comics (auf Englisch und Russisch) gibt es auch. Ich bekomme richtig Lust viel Zeit mit Lesen zu verbringen. Hoffentlich komme ich im Winter dazu.
Екатеринбург.
Ekaterinburg.
Das Hauptpostamt in Ekaterinburg. Leider war ja ein postlagernder Versand der Ersatzteile nicht möglich, sonst hätte ich sie mir jetzt dort abholen können. Und Fahrradgeschäfte gibt es hier mehrere, die das Einspeichen hätten übernehmen können.
Я надеялся, что мог получить запчасти для своего велосипеда из Германии, но к сожалению продавец, который мог продать их, не поставляет посылку до востребованного места.
Post Office. I hoped I could get parts for my bicycle from Germany but unfortunately the vendor who could sell them does not deliver poste restante.
In der Stalowaya (Kantine) „Vilka-Loschka“ („Gabel-Löffel“) im Zentrum lese ich noch im Internet über Ekaterinburg und übersetze mit Hilfe eines Online-Russischlexikons ein paar Absätze aus der Broschüre über diese Stadt. Außerdem schreibe ich Vitalij aus Tjumen, der mir mit seinem Freund mit dem Rad entgegengekommen war, dass ich über Tjumen fahre und schicke ihm meine Handynummer. Vielleicht können wir uns dort ja treffen.
Um 22 Uhr schließt die Kantine. Etwas später ruft mich Seva an. (Ich hatte bisher „Ceva“ geschrieben, aber „Seva“ ist wohl die richtige Transliteration in Lateinische Buchstaben. Wir treffen uns spät abends noch und gehen ins Yellow Submarine, einer Musikkneipe.
22.08.2012 (Mittwoch)
Heute reise ich aus Ekaterinburg ab. Ich stehe um 9 Uhr auf, dusche nochmal und Frühstücke. Wer weiß, wann ich mal wieder eine Dusche sehe. Manchmal dauert es ja recht lange. Eigentlich ist Check-Out hier um 12 Uhr, aber an der Rezeption erlaubt man mir, etwas später abzureisen. Ich nutze die Zeit noch zum Einkaufen. Im Hotel fällt mir ein, dass ich ja noch ein neues Handtuch brauche, da ich nun schon zum zweiten Mal eins verloren habe. Zum Glück kann ich das in einem kleinen Laden im Hotel bekommen. Es ärgert mich ziemlich, etwas von meiner Ausrüstung zu verlieren. Sollte nicht passieren, aber was will man machen. Das erste Handtuch hatte ich in Taganrog um eine Bierflasche gewickelt, um das Bier kalt zu halten. Als ich das Bier draußen getrunken hatte, habe ich es lose auf dem Anhänger liegen lassen und dann nicht mehr daran gedacht, als mich die beiden Köche einluden, bei ihnen zu übernachten. Ich denke ich habe es auf dem Weg zu beiden verloren. Das zweite habe ich wahrscheinlich neulich nach einer Duschgelegenheit zum Trocknen aufgehängt und nicht mehr daran gedacht, als ich weiter gefahren bin.
Gegen 13 Uhr ist dann alles gepackt und ich mache mich langsam auf den Weg.
Als ich diese Werbung einer Pizzeria sehe, kommt mir eine gute Idee – Wenn es mir mal mit dem Fotografiert-werden zu viel wird, verstecke ich mich einfach :
Когда я увидел эту рекламу пиццерии, у меня возникла идея – если меня будут много фотографировать снова и снова, то я просто скроюсь .
When I saw this advertisement of a pizzeria, I got an idea – if it becomes too much for me to be photographed over and again, I will simply hide .
Auf dem Weg komme ich nochmal am Spiegel vorbei. Schneewittchen ist heute nicht da. Und ich frage mich, ob ich nun mit, oder ohne Sonnenbrille besser aussehe :
На моём пути выхода из города я проезжал мимо зеркало опять. Белоснежки не было здесь сегодня и мне стало интересно, выгляжу ли я лучше с или без тёмных очков.
On my way out of the town I pass the mirror again. Snow White is not here today, and I wonder if I look better with or without sun-glasses.
In einem Fahrradgeschäft bekomme ich noch zwei Schrauben, die ich an den Pedalen verloren habe.
В магазине велосипедов я купил два болта, которые я потерял.
In a bicycle shop I got two screws which I had lost.
Danach gönne ich mir in der Kantine, in der zuerst an meiner Seite gearbeitet habe, noch einen Kaffee und mache mich dann gegen 15 Uhr endgültig auf den Weg aus der Stadt. Das ist das Blöde bei so einer Tour, dass man sich so oft verabschieden muss. Ekaterinburg wäre auch kein schlechter Platz für die Winterpause gewesen.
Eine große Digitalanzeige auf dem Dach eines Rastplatzes zeigt gegen 19:30 Uhr eine Temperatur von 18 Grad an. Ich finde es aber relativ kalt. Zwar radel ich nachmittags eine Zeit lang in kurzer Hose, habe aber den Tag über eine Strickjacke an. Abends ziehe ich mir zusätzlich noch die Jacke darüber. Damit geht es so gerade.
Wer hier mit dem Auto vorbeifährt sollte schnell lesen können:
In einer kleinen Stadt werden Kartoffeln, Tomaten und ähnliches am Straßenrand aus privaten Gärten angeboten. Leider kommt eine solche Gelegenheit nun wieder, nachdem ich mich heute Morgen noch im Supermarkt versorgt habe. Nach meinen früheren Radtouren hatte ich damit gerechnet, mich öfter auf diesem Weg versorgen zu können.
Manchmal steht nur eher symbolisch etwas am Straßenrand, andere haben richtige Stände aufgebaut:
Местные жители продают картошки и фрукты.
Local residents sell potatoes and fruits.
Auf dem Weg verliere ich leider meine Baschkortostanflagge . Zum Glück habe ich zwei gekauft. Bevor ich die zweite nun anbringe, muss ich mal schauen, dass ich eine zweite Fahnenstange bekomme. Für die Flaggen von Kasachstan und Usbekistan brauche ich dann ja auch noch Platz. Wegen der Baschkortostanflagge bin ich ungefähr 5 km zurück gefahren. Ungefähr eine halbe Stunde, bevor ich den Verlust bemerkt habe, hatte ich sie noch gesehen. Beim zurückradeln ist mir wieder aufgefallen, wie viel Müll hier am Straßenrand liegt. Allein diese Menge macht es schwer etwas wieder zu finden. Wie entdeckt man eine kleine Flagge auf einem kilometerlangen Müllhaufen?
Die vielen Kreuze und Grabsteine am Straßenrand hatte ich sicher schon erwähnt. Mindestens alle paar Kilometer sieht man Gedenkstätten für im Straßenverkehr tödlich verunglückt. Insbesondere beim Überholen werden große Risiken eingegangen. Ein größeres Holzkreuz schaue ich mir an, da es sehr neu aussieht. Vor zwölf Tagen ist hier Juliya, ein neunjähriges Mädchen, mit ihrem 34-jährigen Vater gestorben.
Am späten Abend, als es schon dunkel ist, stelle ich mein Zelt in einem Dorf direkt neben einem Brunnen auf. Da kann ich mich morgen gleich waschen .
Я нашёл хорошее место для палатки, прямо около колодца.
I find a nice place for the tent, right beside a well.
23.08.2012
Morgens fällt mir ein, dass ich mal wieder den Kettenverschleiß messen sollte. Mist … es wird Zeit die Kette zu wechseln. Da habe ich nicht wirklich Lust zu. Hätte ich besser in Ekaterinburg gemacht, schon wegen Hände waschen und so. Außerdem nervt es, wenn wieder Leute zuschauen, oder unbedingt „helfen“ wollen. Andererseits möchte ich es aber auch nicht in einer abgelegenen Gegend machen. Es ist lange her, dass ich zum letzten Mal eine Kette gewechselt habe. Und einmal ist mir dabei der Dorn mit dem man die Nieten rausdrückt gebrochen. OK, ich habe zwei dabei, mache solche Arbeiten aber trotzdem lieber, wenn ich bei Bedarf noch weiteres Werkzeug irgendwo bekommen kann.
Es kommt dann, wie es kommen musste. Beim Tausch der Kette neben einer Raststätte kommen zunächst drei Kinder dazu. Im Allgemeinen habe ich absolut nichts gegen Kinder, aber diese drei Jungs nerven. Nicht nur, weil sie überall dran rumfummeln, das Hinterrad drehen, während ich gerade mit der Kette beschäftigt bin und so. Ich mag sie auch nicht. Das Alter kann ich nicht schätzen. Vielleicht so zwischen 6 und 9 Jahren. Einer von ihnen scheint sich sehr erwachsen geben zu wollen. Lachen kann er nicht, aber rauchen. Wie bringt man ihm nur bei, etwas Abstand zu halten und die Schalen der Sonnenblumenkerne, die er futtert, nicht in mein Werkzeug zu spucken? Ein weiterer raucht auch. Es scheint hier niemanden zu stören, dass die Kinder rauchen. Später kommt ein LKW-Fahrer dazu. Meine Hoffnung, dass er positiv auf die Kinder einwirkt erfüllt sich nicht. Im Gegenteil: Er ist betrunken, kommt gleich mit Bierflasche an, und als er anfängt alles am Rad auszuprobieren, sind die Kleinen auch wieder kräftig mit dabei. OK, nach 70 Minuten bin ich fertig (Einschließlich abpacken, aufpacken, Hände waschen, und so weiter).
Bild unten: Ein weiter von unzähligen Versuchen ein wirklich gutes Foto von diesen Vögeln zu machen. Ich bin noch nicht dazu gekommen im Internet nachzuschauen, ob es ein Milan ist. Den Tipp hatte ich ja bei dem anderen Foto bekommen. Leider habe ich auch jetzt beim Schreiben keinen Internetanschluss. Ich würde mich gerne mal ein paar Tage auf die Lauer legen, für ein gutes Foto, müsste ich nicht das Ende meiner Aufenthaltsgenehmigung und den kommenden Winter berücksichtigen.
Weiter geht es durch Wald und Felder:
Auf unerlaubtes Abholzen stehen bis zu 25.000 Euro Strafe (1.000.000 Rubel):
Fine for cutting down trees without permission 1.000.000 Ruble, approx. 32.000 USD.
Obwohl die Straße nach Tjumen auf meiner Karte aussieht, wie die üblichen Fernstraßen, führt sie durch mehrere Dörfer und Städte. Das hätte ich ja gerne öfter. Es ist abwechslungsreicher und man kann sich besser mit Getränken und Essen versorgen.
По дороге есть маленькие города. Я хотел бы видеть это чаще, потому что легче купить еду и напитки.
There are some small towns on the way. I would like to see this more often, because it’s easier to buy food and drinks.
Abends esse ich in einem Rastplatz Plow, ein Reisgericht. Da ich schon zwei Mal gehört habe, dass es in Usbekistan den besten Plow gibt, brauche ich unbedingt noch den Vergleich .
Neben dem Rastplatz baue ich mein Zelt auf. Nachdem es steht und ich alles reingeräumt habe, bietet mir jemand von der Raststätte an, kostenlos in einem Zimmer zu schlafen. Wegen der vermutlich damit verbundenen Waschgelegenheit hätte ich nicht abgelehnt. Aber jetzt bin ich müde, und mein Zelt steht fertig da. Da schlafe ich nun doch im Zelt.
24.08.2012
Nach dem Zeltabbau und Packen spricht mich eine Frau aus der Küche an. Sie und ihre Kolleginnen interessieren sich für meine Tour. Sie hatten schon mehrmals von einer Tür aus rüber geguckt, und ich finde es ganz nett, dass sie mich erst ansprechen, als ich mit dem Packen fertig bin. Also unterhalten wir uns etwas. Sie möchte unbedingt, dass ich ein Foto von ihnen und dem Fahrrad mache. Da habe ich nichts dagegen:
Эти три женщины хотели поговорить со мной и попросили, чтобы я сделал фотографию. Они были достаточно любезны и подождали пока не упаковал всё.
The three women wanted to talk to me and asked me to take a photo. They have been kind enough to wait until had packed everything.
Erntezeit:
Время сбора урожая.
Harvest season.
Entfernungen sind hier irgendwie anders. Man stelle sich vor, in Itzehoe stünde ein Schild, das Osnabrück, Genf und Paris ankündigt:
Einen schönen Platz zum Zelten finde ich wieder im Dunkeln. Ein kleines Cafe am Straßenrand hat ausreichend Platz nebenan. Das Cafe sollte geöffnet sein, es brennt auch Licht, aber die Tür ist abgeschlossen. Jemand klopft schon an die Tür und schaut von außen durchs Fenster. Er meint, dass drinnen jemand schläft.
Etwas später kommt Andrej, ein LKW-Fahrer. Wir unterhalten uns, und er schlägt vor im LKW Kaffee zu trinken. Das Führerhaus gefällt mir. Größer als mein Zelt, und man muss es nicht jeden Tag auf’s neue aufbauen. Der Wagen ist aus den USA. Vielleicht mache ich meine nächste Fahrradtour mit einem Amerikanischen Truck? Andrej sieht zum ersten Mal einen Reiseradler aus der Nähe, und zum ersten Mal so einen großen Wagen von Innen. Ich frage Andrej nach den Lenk- und Pausenzeiten. 20 Stunden fährt er pro Tag, 4 schläft er. Ich will nicht ausschließen, dass das stimmt. LKW, die auf gerader Strecke von der Fahrbahn abgekommen sind, habe ich hier auch schon gesehen.
Nach dem Kaffee fährt Andrej weiter, und ich baue mein Zelt auf. Inzwischen ist die Frau aus dem Cafe wach geworden. Sie hat nichts dagegen, dass ich auf dem Gelände mein Zelt aufgestellt habe.
Da ich es morgen früh ohnehin wieder vergesse, fotografiere ich den schönen Platz mit dem Zelt jetzt nachts:
Ещё одно красивое место, чтобы провести ночь в палатке. И так как я наверняка забуду сделать фотографию утром, я сделаю его на сей раз ночью.
Another beautiful place to spend a night in the tent. And since I will definitely forget to take a photo in the morning, I’ll do it this time by night.
Und? Was hatte ich gerade geschrieben? :
Как было сказано выше .
As mentioned above .
Jetzt möchte im Cafe frühstücken, oder wenigstens einen Tee trinken. Ich habe es aber noch nicht geschafft mein Rad abzustellen, da Löchern mich schon drei Leute mit den Allerweltsfragen. Sie scheinen zum Cafe zu gehören, und so, wie ich sie einschätze werde ich sie nicht los, bevor ich weiter fahre. Das kann ich morgens noch weniger haben als sonst. Außerdem war es sehr kalt heute Nacht, und ich habe zum ersten Mal auf dieser Tour wirklich schlecht geschlafen. Also: Abreise.
Später hält ein Auto vor mir. Der Fahrer kommt aus dem Auto und spricht mich gleich auf Deutsch an. Na, das ist ja mal ein Grund anzuhalten . Jens arbeitet seit acht Jahren in Russland im Bereich Straßenbau und freut sich auch einen Deutschen zu treffen. Er war mir wohl entgegen gekommen und hatte die deutsche Flagge gesehen. Mal einer, der nicht fragt, ob es die von Kroatien ist
.
Jens könnte mir eine Adresse von einem Kunden in Astana besorgen, an die die Ersatzteile geschickt werden könnten. Kommt ungelegen. Meine Eltern, die den Kontakt zum Versand haben, fahren nun gerade für knapp zwei Wochen in Urlaub. Da will ich nicht stören. Und Alles selbst telefonisch klären, würde ich wegen den Telefonkosten auch nur im Notfall. Ich bin jetzt seit über 2000 Kilometern ohne Panne unterwegs, der letzte Speichenbruch liegt noch weiter zurück, da fahre ich jetzt so weiter. Ich denke im Winter kann ich mich dann um die Umrüstung kümmern, die ich nach wie vor für sinnvoll halte.
Auf der Karte habe ich einen kleinen Grenzübergang gesehen, bei dem ich nicht sicher bin, ob ich ihn nutzen kann. Er wäre halt interessant für mich, falls ich auf dem Weg nach Omsk merke, dass die Zeit zu knapp wird, bis ich Russland verlassen muss. Jens ist sich leider auch nicht sicher. Das Dumme ist, dass ich nicht genug Zeit habe, von dem Übergang aus noch zu einem anderen zu fahren. Ich muss mich in Tjumen entscheiden, ob ich den kürzeren Weg über Kurgan wähle, oder den anderen über Omsk. Der dazwischen ist zu riskant, falls sie mich dort zurück schicken. Omsk würde ich gerne noch erreichen. Wenn ich nächstes Jahr weiter durch Russland fahre, würde ich Novosibirsk starten. Die 700 km zwischen Omsk und Novosibirsk könnte ich mir schenken. Ich verspreche mir ohnehin nichts von der Strecke und habe dann lieber eine Woche mehr Spielraum nach hinten.
Von Jens erfahre ich auch, dass die Firma John Deere in Taschkent groß vertreten ist. Da kann ich ja mal anklopfen, ob sie zufällig für ein paar Monate einen Physikingenieur mit Deutschkenntnissen brauchen .
Nachdem ich eine längere Pause gemacht habe, komme ich an einem Rastplatz mit Duschgelegenheit vorbei. Mist, ich will nicht schon wieder Pause machen. Ich wäre nur gerne frisch gewaschen in Tjumen angekommen. Da will ich mich ja mal wieder unter Menschen mischen. Aber ok, irgendwo reingehen kann ich ohnehin nur, wenn ich das Rad mit Gepäck sicher abstellen kann, und dann gibt es da hoffentlich auch eine Waschgelegenheit. Und wenn ich irgendwo draußen sitzen kann, werden sie nicht gleich die ganze Stadt evakuieren. Was mich betrifft: Ich habe mich langsam daran gewöhnt, mich nicht täglich waschen zu können. Ich glaube, die Haare werden auch nicht mehr so fettig, wenn man sie nicht täglich wäscht. Oder ich nehme es nicht mehr so wahr. Wie auch immer: Deutschland ist weit weg .
Vor mir hat ein LKW angehalten. Der Fahrer scheint ein Gespräch zu wünschen. Zum Glück erkenne ich Andrej wieder . Er ist jetzt auf dem Rückweg. Wir unterhalten uns kurz. Er möchte mich nochmal auf einen Kaffee einladen, oder mich auch gleich bis Tjumen mitnehmen. Natürlich möchte ich die Strecke lieber mit dem Rad fahren, und die Einladung schlage ich auch aus, da ich nicht so extrem spät in der Stadt ankommen möchte. Es ist Samstag, und ich hoffe doch einen schönen Abend in der Stadt verbringen zu können.
Noch 34 km bis Tjumen:
Erntezeit – ein kleiner Bildausschnitt aus einem riesigen Feld:
Урожай. Маленькая часть огромной поли.
Harvest. A small part of a huge field.
Die Strecke ist schlecht zu fahren. Viele Steine vom Seitenstreifen liegen auf dem Rand der Fahrbahn, und ich habe Gegenwind. Tjumen erreiche ich erst gegen Mitternacht. Eine Art Stadtautobahn scheint weit um die Stadt herum zu führen. Irgendwann kommt dann die Abfahrt Richtung Zentrum.
Ich muss später mal im Internet recherchieren, womit die Leute in Tjumen ihr Geld verdienen, ob es hier eine besondere Industrie gibt. Stadt wie Leute scheinen Geld zu haben. Auf besten, gut beleuchteten Straßen, rasen teure Autos mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit. Auch Motorräder sind entsprechend unterwegs, was ich sonst in Russland bisher kaum gesehen habe. Ich hole mir in einem kleinen Laden erst mal ein Bier und setze mich auf eine Bank. Prompt hält wieder ein Auto. Der etwas übergewichtige Mann steigt aus, mustert mein Rad und mich ungewöhnlich lange. Mit den Händen in den Hosentaschen und Glimmstängel zwischen Lippen stellt er sich dann etwas breitbeinig vor mich und spricht mich an. Ich verstehe Nichts, dafür spricht er zu undeutlich. Wie man sich denken kann, habe ich auch nicht das geringste Bedürfnis mir nun Mühe zu geben. Ich frage nicht nach, und beachte ihn nicht weiter. Irgendwann stellt er sich neben sein Auto und schaut weiter zu mir. Hände in den Hosentaschen. Während er noch so da steht kommt Hampelmann. Der schlaksige, ungepflegte Typ steht vor meinem Rad und versucht mit Bewegungen, die wahrscheinlich ulkig sein sollen, auf sich aufmerksam zu machen. Was die Leute nicht alles versuchen um mit einem Reiseradler in Kontakt zu kommen. Irgendwann tut er dann so, also ziele er mit seiner zu Ende gerauchten Kippe auf mein Gepäck. Erst mal drei Mal die Bewegung testen. Und dann trifft er tatsächlich aus grob geschätzt 20 Zentimeter Entfernung. Die glühende Kippe liegt auf meinem Gepäck. Klar hätte ich gerne von ihm verlangt, dass er sie sofort wieder entfernt, aber um Schaden zu vermeiden, kümmere ich mich selbst darum. Hampelmann freut sich. Da ich nicht weiß, was „Vollidiot“ auf Russisch heißt, sag ich’s ihm auf Deutsch. Hampelmann freut sich noch mehr und sucht Kontakt zu Hosentasche. Der will aber auch nicht mit Hampelmann reden. Ich stehe nun eh schon und schwinge mich mal auf’s Rad. Die Stadt ist ja groß genug, da sollte man sich aus dem Wege gehen können.
Ich setze mich wieder auf eine Bank und schaue dem Treiben in der Stadt zu. Hier und da stehen kleinere Gruppen auf den gepflegten Plätzen. Leute gehen vorbei. Ich werde nicht weiter angesprochen, weder von Neugierigen noch von Interessierten. Während die teuren Autos die Straßen rauf und runter düsen, wirken die Leute, die stehen und gehen und miteinander sprechen, auf mich eher, als ob sie Probleme lösen müssten, als dass sie einen Samstagabend genießen würden. Irgendwie liegt eine eigenartige Stimmung über der Stadt.
Auf dem Weg ins Stadtzentrum habe ich mehrere gute Plätze zum Zelten gesehen. Zu einem fahre ich jetzt zurück. Er ist nur einen Katzensprung von Zentrum entfernt, ungefähr einen Kilometer, wirkt aber, als wäre man irgendwo in einem kleinen Dorf.
Dort stelle ich das Zelt auf.
26.08.2012
Juhuu, ich denke ans Foto. Und das direkt nach dem Aufstehen um Viertel vor elf:
Ура! Сразу после подъёма в 10:45 ч. (утра ) я подумал о фотографии.
Yay! Immediately after getting up at 10:45 (a.m. ) I thought of a photo.
Это, кажется, что это сельская местность, но это фактически только в 1 км от центра города Тюмень.
It seems to be in the countryside, but it is only 1 km from the city centre of Tyumen, actually.
Und Wasser gibt es auch :
And right beside the place there is water.
Das Wasser soll trinkbar sein, wurde mir gesagt. Ich frage mich, ob die Anwohner es vor dem Trinken noch filtern. Das Wasser ist nicht wirklich ganz klar. Ich probiere es zwar mal, nehme den größeren Teil aber später zum Waschen.
Die Nacht war wieder sehr kühl. In der Sonne ist es tagsüber warm genug für kurze Hose und T-Shirt. Viele Leute sind aber schon mit Mantel und Mütze unterwegs. Tatsächlich wird es im Schatten schnell kalt.
Lange aufhalten möchte ich mich hier nun nicht mehr, werfe aber schnell noch einen Blick in einen Park. Oh, was gibt es da? Wi-Fi kostenlos, im Park:
В парке.
Free Wi-Fi in a park.
Beim Verbindungsaufbau wird man aufgefordert eine sms an eine Telefonnummer zu schicken. Danach bekommt man ein Passwort, ebenfalls per sms. Da beim Kauf einer SIM-Karte die Daten aus dem Reisepass erfasst werden ist es nicht anonym.
Nun gut, ich checke mal emails, schreibe ein bisschen und lade ein Miniupdate mit drei aktuellen Fotos hoch.
Der Park ist großzügig angelegt. Es gibt einen Spielplatz. Kleine Kinder fahren mit Elektroautos auf den Wegen. Spielplätze gibt es in Russland viele. Allgemein scheinen Kinder einen hohen Stellenwert zu haben.
Свободное время и Wi-Fi для короткого обновления моего сайта.
Free time and Wi-Fi for a short update of my internet site.
Es wird etwas spät, aber zum Glück hat der Supermarkt auch am Sonntagnachmittag noch geöffnet. Da kann ich mich noch für die Weiterfahrt versorgen. An der entscheidenden Kreuzung beschließe ich, nicht den Weg über Omsk zu wagen, sondern auf dem kürzeren Weg über Kurgan nach Kasachstan zu fahren.
Am Stadtrand komme ich an einer Neubausiedlung vorbei, in die ich mal kurz einbiege:
In the outskirts of Tyumen.
Auf den ersten Blick wirken alle Häuser gleich. Dies dürfte an den verwendeten Steinen und den roten Dächern liegen. Sie unterscheiden sich jedoch im Detail. Manche haben einen Wintergarten, andere nicht. Sie sind auch unterschiedlich groß. Die Bewohner haben gute, neuere Autos. Ein einziges älteres Fahrzeug wirkt, als habe dort gerade jemand seinen Führerschein gemacht, und das erste Auto vom Taschengeld gekauft.
Während die Siedlung rechts von der Hauptstraße liegt, ist auf gleicher höher links ein Krankenhaus, das zumindest von außen sehr modern wirkt:
Nicht jeder scheint sich den Aufenthalt dort leisten zu können. Direkt neben dem Wegweiser zum Krankenhaus wirbt ein Schild für „Деньги быстро“ (wörtl.“ Geld schnell“).
Вероятно, не все могут позволить себе остаться в больнице. Слева: Знак в больницу. Справа: «Деньги быстро».
Probably not everyone can afford to stay in hospital. Left: Sign post to the hospital. Right: “Деньги быстро“ = „Money quickly“.
So, nun wird es aber Zeit. Es geht auf 18 Uhr zu und ich bin erst zehn Kilometer gefahren.
Da hält mich schon wieder etwas auf. Manche Schilder stellen ja selbst ausgewiesene Russlandexperten wie mich vor Rätsel:
Also, ich denke mal, das oben ist ein Sanatorium. Bei Zeile Zwei wird es schon schwierig. OOO ist eine GmbH, aber ООЦ ?? Radyga (РАДУГА) heißt Regenbogen, wenn ich mich recht erinnere. So einen hatte ich doch mal in der Ukraine. Und mit den Zeilen Drei und Vier kann ich nun wirklich gar nichts anfangen. Aufklärung per Kommentar oder email ist erwünscht.
Nachtrag 15.05.2013 Das Rätsel wurde in Bischkek gelöst, als ich, mit fachlicher Unterstützung, die Sätze auf russisch für diese Seite schrieb. Die Übersetzung ins Deutsche habe ich einem Online-Programm überlassen:
Санаторий «Сибирь».
ооц Общеобразовательный центр «Радуга».
ДОЦ детский образовательный центр «Алые Паруса».
ДОК детский образовательный комплекс «Юный Геолог».
Sanatorium “Sibirien”.
ооц Allgemeinbildendes Zentrum “Regenbogen”.
ДОЦ Kinderausbildungszentrum «Scharlachrote Segel».
ДОК Kinderausbildungskomplex «Der Junge Geologe».
Sanatorium “Siberia”.
ооц General education center “Rainbow”.
ДОЦ children’s educational center “Scarlet sails”.
ДОК children’s educational complex “Young Geologist”.
Bei der Auswahl eines Zeltplatzes habe ich mal wieder ins Klo gegriffen. In deutlicher Hörweite ist ein Parkplatz, auf dem nachts junge Leute mit ihren Autos stehen und Musik in einer Lautstärke hören, die Mami und Papi niemals erlauben würden.
27.08.2012
Der Tag beginnt mit einem physikalischen Wunder. Falls in der Nudelsuppe außer Nudeln überhaupt etwas drin ist, muss es Antimaterie sein. Die Cafes hier sind recht unterschiedlich.
Müllhalde mit Sitzgelegenheit:
Свалка со скамекой.
Garbage dump with sitting area.
Steppenähnliche Landschaft wechselt sich mit Waldgebieten ab:
Пейзаж, подобный степи, чередуется с лесными областями.
Scenery similar to steppe alternates with woodlands.
Später komme ich an einem Cafe vorbei, die neben normalen Zimmern auch eine Übernachtung für fünf Euro in einem ausgedienten Bahnwagon anbieten. Leider ist es noch zu früh zum Schlafen. Und es ist bestes Radfahrwetter, inklusive Rückenwind. Also auch kein Tag zum Russisch Lernen. Ich fahre weiter.
Links im Bild der Bahnwagon:
Вагон служит как недорогая гостиница. Жаль, что я ещё хочу двигаться дальше.
A railway-car serves as an inexpensive hotel. It is a pity that I don’t want to finish the stage.
Abends kündigt ein Schild so einen Waldparkplatz an. Manchmal ist dort auch ein Cafe und eine gute Möglichkeit zum Zelten, aber es kommt nichts Entsprechendes. Da es inzwischen dunkel geworden ist, werde ich bis Kurgan weiterfahren, wenn sich nicht zufällig etwas anderes ergibt.
22:20 Uhr: Hinter mir quietschen ganz mächtig die Reifen. Vorsichtshalber weiche ich auf den unbefestigten Standstreifen aus. Der Fahrer gibt wieder Vollgas und schneidet mir den Weg ab. Noch bevor er aus seinem Auto raus ist, habe ich zu den Waffen gegriffen. Das habe ich vor längerer Zeit geübt und bin jetzt doch erstaunt, wie schnell das geht. Rechts am Auto komme ich aber nicht mehr vorbei, da geht es steil bergab. Also schiebe ich zurück, um es links zu versuchen. Als ich hinter dem Auto bin, steht inzwischen auch der Fahrer da und schreit „Деньги!“ (Geld!). „Что?!“ (Was?!), gifte ich ihn an, und ärger mich im nächsten Moment darüber, überhaupt Russisch gesprochen zu haben. Danach stelle ich mich auf den Standpunkt, dass ich ihn leider nicht verstehe. „Geld! Geld!“. Sein Wortschatz ist begrenzt. Angst macht er mir nicht, dafür stellt er sich zu blöd an. Weiter ins Detail gehe ich hier nicht, da ich keine Anleitung schreiben möchte, wie man am besten Reiseradler überfällt. Mein Versuch an ihm vorbeizukommen scheitert jedoch. Er kriegt über dem Fahrrad meine Strickjacke zu fassen und zerrt so daran herum, dass ich mein Rad nicht mehr halten kann, zumal ich ja nur eine Hand frei habe. Ich kann gerade noch verhindern, dass das Fahrrad einfach hinfällt, und es wenigstens halbwegs geordnet ablegen. Meine Sorge gilt den Ausfallenden, an denen der Anhänger befestigt ist. Immerhin musste da schon zweimal geschweißt werden. Während das Fahrrad mit Anhänger nun quer auf der Fahrbahn liegt, staut sich der Verkehr. Zwei Autos fahren auf der Gegenfahrbahn vorbei, der dritte hält. „Мне надо помочь“, sage ich den Insassen durchs geöffnete Fenster. OK, im Russischkurs hätte ich dafür eine Sechs bekommen (in Deutschland die schlechteste Zensur), aber die Leute im Auto verstehen mich. Während ich mit ihnen spreche, setzt sich der Bösewicht in sein Auto. Als die Helfer aussteigen, lässt der Gelegenheitsbandit sein Auto an. Ich kümmere mich zunächst um mein Fahrrad, da ich befürchte, dass der Fahrer zurücksetzt, denn es dürfte schwer für ihn sein, nach vorne wegzufahren. Nach rechts fällt das Gelände ja steil ab. Es gelingt mir immerhin Fahrrad und Anhänger gleichzeitig anzuheben. Dem Banditen gelingt es wegzufahren, ohne zurückzusetzen. Ich bin erleichtert, dass er mein Fahrrad nicht kaputt gefahren hat. Danach erkläre ich den Helfern die Situation, während der Bandit davon fährt. Ich bezweifel, dass Russen in so einer Situation die Polizei rufen würden. Außerdem war ich zu beschäftigt, als dass ich mir nebenbei noch das Kennzeichen hätte anschauen können. „Прямо, прямо!“, sagt einer der Helfer. „Immer geradeaus!“. Klar, wohin auch sonst? Rechts und links ist Wald … viel zu gefährlich!
Eine knappe Stunde später quietschen hinter mir die Reifen. Es kommt jeweils ein Auto von vorne und von hinten. Der hinter mir ist recht schnell unterwegs und rücksichtsvoll genug, nicht mit maximaler Geschwindigkeit und minimalen Abstand an mir vorbei zu fahren. Auf den unebenen Straßen kann man aber schlecht bremsen, weil die Räder ja nur gelegentlich Bodenkontakt haben. Daher quietscht es halt. Nichts Schlimmes. Nur quietscht es selten, und nun nach dem Überfallversuch nun zum ersten Mal. Mein Adrenalinspiegel steigt spürbar. Auch wenn ich mich nicht erinnern könnte Angst gehabt zu haben – So ganz spurlos ist die Situation wohl doch nicht an mir vorbei gegangen.
Kurz nach Mitternacht komme ich wenige Kilometer vor Kurgan an eine moderne Tankstelle mit Geschäft und Bistro. Eine gute Gelegenheit zum Zelten, da direkt danach eine Kreuzung kommt, an der ich mich entscheiden muss, ob ich in die Stadt fahre, oder gleich Richtung Kasachstan abbiege. Der Kaffee ist nicht preiswert, aber gut, um am Becher die Hände aufzuwärmen. Es wird jetzt nachts ganz schön kalt. Das Gelände hatte ich mir bereits vorher angesehen, und frage ob ich an einer bestimmten Stelle zelten darf. Ich darf .
Neben dem Platz steht ein Kleinlaster. Mit dem Fahrer verstehe ich mich ganz gut. Da habe ich noch etwas Gesellschaft. Zwischendurch kommt noch eine Mitarbeiterin der Tankstelle und schenkt mir eine Schirmmütze mit Werbung des Unternehmens. Das ist nun schon die dritte Schirmmütze. Vielleicht hätte ich eine Sammlung aufmachen sollen .
28.08.2012
Die Angestellten, die jetzt in der Tankstelle arbeiten, hatten schon beim Schichtwechsel vom Radfahrer aus Deutschland gehört. Da brauche ich mich gar nicht mehr vorzustellen. Die Toilette im Gebäude ist das reinste Badezimmer. Fehlt nur die Dusche. An dem großen Waschbecken mit Warmwasser kann ich mich gründlich waschen, inklusive Haare. Daher entscheide ich mich, nicht in die Stadt Kurgan zu fahren, sondern direkt Richtung Kasachstan weiter. Ich brauche jetzt ja auch vorerst keine feste Unterkunft. Erstmals kommt mir die Idee, doch noch nach Omsk zu fahren, durch Kasachstan hindurch und wieder nach Russland. Meine Visa habe ich alle für mehrmalige Einreise besorgt. Auf dem Rückweg, von Omsk nach Kasachstan könnte ich eine Mitfahrgelegenheit nutzen, oder gleich mit der Bahn fahren. Ich sehe keinen tieferen Sinn darin, die Strecke zweimal abzuradeln. Und der Rückweg geht ja auch nicht nach Osten .
An einer Gaststätte kann ich einen kurzen Regen abwarten. Auch hier könnte man in einem Bahnwagon übernachten, allerdings für 12,50 Euro, nicht für 5 Euro, wie ich es gestern gesehen hatte.
Etwas später fängt es nochmal an zu regnen. So gerade eben erreiche ich eine Tankstelle, bei der ich mich unterstelle. Wie vermutet regnet es nicht lange. Die Zeit nutze ich trotzdem vorsichtshalber, um alles regenfest zu verpacken. Für den Rest des Tages bleibt es trocken.
Gegen 21 Uhr erreiche ich einen LKW-Stellplatz mit kleinem Cafe. Dort kann ich zelten. Es heißt, dass danach lange nichts weiter mehr kommt. Der Inhaber fragt nach meinem Reisepass. Das hatte ich auch noch nicht. Er sagt, dass es ihn einfach interessiert, ihn zu sehen. OK, warum nicht. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass es ihm wichtig ist, dass ich kein Russland-Deutscher bin, sondern tatsächlich normalerweise in Deutschland lebe. Nachdem wir uns ein wenig kennen gelernt haben, bietet er mir an im Haus zu schlafen. Das nehme ich gerne an. Es wird wärmer sein und erspart mir die Packerei sowie Zeltaufbau und Abbau. Morgen will ich früh los und dann möglichst nah an der Grenze noch einmal zelten. Die genauen Regeln für die Registrierung nach der Einreise habe ich nicht im Kopf, aber wenn ich es am dritten Tag mache bin ich auf der sicheren Seite. Daher möchte ich nicht abends, sondern morgens über die Grenze fahren. Dann habe ich einen Tag mehr Zeit. Von irgendeinem Land hatte ich gelesen, dass die Registrierung nicht von Hotels übernommen wird, wie zum Beispiel in Russland oder Weißrussland. Vielleicht muss ich mich in Kasachstan erstmals selbst darum kümmern. Und das soll schnell länger als einen Tag dauern, wenn man nicht genau weiß, was man zu tun hat.
An dem Platz an dem ich schlafen kann liegen nur ein paar Decken auf dem Boden, was mir aber auch völlig ausreicht. Im Zelt habe ich ja auch kein Bett .
29.08.2012 (Mittwoch)
Ich schaffe es tatsächlich um 08:30 Uhr los zu fahren. Rekordverdächtig. Entgegen der Aussage von gestern liegen doch noch eine Tankstelle und ein Rastplatz auf dem Weg. Da hätte ich gestern noch weiter fahren können.
Ein weiterer Versuch die großen Vögel zu fotografieren scheitert. Auf der anderen Straßenseite sitzt einer im Baum. Die Kamera habe ich schon bereit. Da ab und zu ein LKW für einen Moment die Sicht versperrt, schiebe ich mein Rad über die Straße. In dem Moment fliegt einer der Vögel ganz dicht an mir vorbei. Der im Baum fliegt weg, als ich mein Fahrrad auf das Feld schiebe. Die machen es mir aber auch echt schwer. Ich möchte doch nur ein einziges gutes Foto von ihnen.
Die vielen, schönen Seen, die auch auf Karten gut zu sehen sind, lassen sich kaum zum waschen nutzen, da die Ufer stark zugewachsen sind.
Красивые озера, но, невозможно дойти к берегу и искупаться.
Beautiful lakes, but it is probably impossible to reach the bank and to go bathing.
Die Strecke ist wenig abwechslungsreich, aber die Straße ist gut, und die Sonne scheint. Ich kann wieder den ganzen Tag in T-Shirt und kurzer Hose fahren. Bei 104 Tageskilometern kommt noch mal eine Art Kreisverkehr, an dem mehrere Cafes und Unterkünfte sind. Ein LKW-Fahrer sagt mir, dass in 18 Kilometern vor der Grenze noch ein LKW-Stellplatz mit Cafe kommt, er weiß aber nicht, ob das Hotel (Gostiniza) geöffnet ist. (Ich verwende hier meist den Begriff „Hotel“. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich in der Regel um äußerst einfache Unterkünfte mit wenigen Zimmern handelt.). Ich fahre noch weiter, es geht mir ohnehin nicht um die Unterkunft, sondern darum, notfalls auch im Dunkeln noch einen Platz zum Zelten zu finden.
Irgendwann macht es mich etwas nervös, dass nach Tachostand die Grenze jetzt kommen müsste. Ich denke an meinen letzten Urlaub, als ich die Grenze von Weißrussland nach Russland übersehen habe und wegen dem Einreisestempel acht Kilometer zurückgefahren bin. (Den Stempel brauchte ich nicht, weil das Russlandvisum bereits an der polnisch-weißrussischen Grenze abgestempelt worden war. Das hatte ich aber nicht gesehen, weil es aus meiner Sicht an der Grenze keinen Grund gab, mir das Russlandvisum anzusehen.).
Ich bin jetzt nicht sicher, ob ich unmittelbar vor der Grenze zelten kann. Da es hier plötzlich Mücken gibt, und die Nächte kalt sind, ziehe ich mir schon mal eine lange Hose an, falls ich doch noch heute Abend nach Kasachstan einreise. Falls es an der Grenze länger dauert möchte ich nicht frieren und zerstochen werden.
Die Grenzanlagen tauchen vor mir auf, und direkt vor der Grenze gibt es rechts und links jeweils ein Cafe. Auf der rechten Seite kann ich zelten. Eine Mitarbeiterin meint, es sei ein sicherer Platz, aber wenn was wäre, sollte ich anklopfen. Sie schließen nachts, sind aber im Haus.