Kasachstan 2

 

12.09.2012 (Mittwoch)

Vor 12 Uhr kann ich nicht abreisen, da ich im Lokal gestern Abend mein Brillenetui vergessen habe. Und sie öffnen erst mittags. Ich bekomme das Etui wieder und gebe das zu viel gezahlte Wechselgeld zurück. Ich hatte gestern unter anderem lange auf das Wechselgeld warten müssen. Andere warteten ebenfalls, während die Angestellten sich unterhalten, telefonieren, im Internet surfen. Ich hatte bemerkt, dass sie mir zu viel rausgegeben hatte, nicht zuletzt wegen dem schlechten Service das Geld aber eingesteckt, was sonst nicht so meine Art ist. Gezählt habe ich es erst später. Es waren immerhin 15 Euro, also mehr, als ich bezahlt hatte. Wenn ihr das vom Lohn abgezogen wird, ist das sicher ziemlich bitter. Keine Ahnung was man hier als Bedienung verdient. Zum Vergleich: 2010 habe ich im Urlaub in Berdjansk (Ukraine) eine junge Studentin kennen gelernt. Sie hat in den Semesterferien an so einem Stand gearbeitet, an dem man für 50 Cent Basketbälle werfen kann. Wer den Korb trifft bekommt einen kleinen Preis. Sie sprach gut Englisch, und wir sind nach ihrer Arbeit noch was trinken gegangen und haben uns noch länger unterhalten. Für 10 Stunden vom frühen Nachmittag bis in die Nacht, hat sie für ihren Job am Basketballstand 5 Euro bekommen, also 50 Cent pro Stunde. Da bei Feierabend keine Busse mehr fuhren, hat sie sich, um sicher nach Hause zu kommen, dann für 3 Euro ein Taxi genommen.

Ich verlasse Astana im Norden der Stadt, weil ich den älteren Teil jetzt noch einmal zum Vergleich sehen möchte.

Der Bahnübergang ist fast eine Stunde durch einen stehenden Zug blockiert. Da der Zug zwischendurch mal vorfährt, wieder zurücksetzt und später dann wegfährt, scheint es sich eher um Verlade-, oder Rangierarbeiten zu handeln, als um einen technischen Defekt.

Я покидал Астану. Дорога загорождена поездом целый час.

Today I leave Astana. The level crossing is blocked by a train for almost one hour.

 

 

 

 

 

 

 

 

Am Stadtrand esse ich noch, gegen 16 Uhr geht es dann mit Rückenwind zunächst nach Westen. Die Stadt zieht sich noch lange hin.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Мечеть на окраине Астаны.

A mosque in the outskirts of Astana.

 

 

 

 

 

 

 

 

Zwischendurch frage ich mich schon, ob ich noch in Astana bin, oder ob ich gerade durch weitere kleinere Städte radel. Tatsächlich kommt nach längerer Zeit ein Ortsausgangsschild von Astana. Im Süden soll es an der  Stadtgrenze ganz extrem von der modernen Großstadt direkt in die Steppe übergehen. Hier ist es eher ein fließender Übergang.

Auf dem Weg werde ich wieder mal von der Polizei angehalten. Nach der Kontrolle wollen sie ernsthaft, dass ich – im Gegensatz zu allen anderen Fahrzeugen – auf der linken Straßenseite weiterfahre. Auf der rechten Seite ist ein riesiges, ummauertes Grundstück. Hinter der Mauer stehen Bäume, und durch eine Einfahrt kann ich eine weitere Mauer hinter den Bäumen erkennen. Wer da wohl wohnt. Witzig, dass ich mehr Abstand halten muss, als LKW und Lieferwagen. Mein Gepäck macht wohl mächtig Eindruck.

Die Sonne geht mittlerweile schon um 19:30 Uhr unter. Ich fahre noch weiter und halte gegen 23:30 Uhr an einem Cafe in Arschaly. Endlich mal ein Ortsname, den ich mir merken kann ;-) . Leider wird es wieder 2 Uhr morgens bis ich mein Zelt dort aufbauen kann. Das Cafe wird von Usbeken betrieben und die Leute aus einem Reisebus mit ca. 60 Usbeken machen dort Rast. Daher komme ich zunächst nicht dazu, mich auf dem Gelände nach einem schönen Platz zum Zelten umzuschauen. Weiterfahren möchte ich auch nicht. Einer Karte folgend, die ich in Astana gekauft habe, sind es noch über 30 km bis zum nächsten Cafe, das direkt an der Straße liegt. Und einen Platz in der Steppe kann ich mir nur im hellen suchen.

Die Usbeken sind in Ordnung. Nachdem ich mich lange mit denen unterhalten habe, die draußen stehen, gehe ich davon aus, dass sie Rad und Gepäck in Ruhe lassen und setze mich rein. Eine Mitarbeiterin aus dem 1600 km entfernten Taschkent denkt laut, als sie mit mir spricht: „Wenn wir mit dem Auto nach Taschkent fahren, sind wir zwei Tage unterwegs. Dann brauchst Du wohl vier“. Sie ist sehr erstaunt, als ich ihr sage, ich sei wohl noch 25 Tage unterwegs. Das Zelt kann ich später auf einem schönen windgeschützten Platz auf der Veranda des Hauses aufbauen, und mein Rad mit einem Teil des Gepäcks steht sicher in einer Garage.

 

13.09.2012 (Donnerstag)

Der Tag ist relativ kühl. Ich fahre den ganzen Tag mit Strickjacke und langer Hose. Erst gegen 17 Uhr wird es in der Sonne etwas warm. Ich wäre gerne die 140 km bis Karaganda durchgefahren, doch der Wind ist wieder gegen mich. Zeitwiese sind die Böen aus Westen wieder so stark, dass ich nur fahre, wenn kein Verkehr von hinten kommt. Einfach geradeaus zu fahren ist praktisch nicht möglich. Erst als nach Einbruch der Dunkelheit der Wind nachlässt, geht die Straße nach Osten. Zu schade, ich hätte einen solchen Sturm doch sooooo gerne mal als Rückenwind.

Abends schaffe ich dann noch einige Kilometer und zelte nach 93 Tageskilometern an einem LKW-Stellplatz.

Сегодня я хотел поехать в Караганду, (140 км) но ветер был настолько сильный, что я поставил палатку на 93 км и решил передохнуть.

Today I wanted to go to Karagana (140 km away) but the wind has been far too strong. So I camped after cycling 93 km today.

 

 

 

 

 

 

 

Die folgenden beiden Fotos zeigen einmal den Blick nach rechts und einmal nach links, vom selben Platz aus:

Вид справа и…

View to the right and …

 

 

 

 

 

 

 

… слева одинаковый.

… to the left at the same place.

 

 

 

 

 

 

 

Wasserschutzgebiete sind doch eine tolle Erfindung…  Für die nächsten 100 Meter ist es hier nicht erlaubt, Müll wegzuwerfen. Hoffentlich weiß das auch der Wind, der den Müll hier überall großflächig verteilt:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

14.09.2012 (Freitag)

Bis 8:30 Uhr habe ich mein Zelt abgebaut, da es mir der Wachmann auf dem Stellplatz eigentlich nicht erlauben durfte dort zu zelten. Also müssen alle Spuren beseitigt sein, bis die Ablösung kommt :-) . Das hat aber auch den Vorteil, dass ich dann früh in Karaganda ankomme. Alyona hatte mir in Astana die Telefonnummer von jemandem aus Karaganda gegebene, der mir vielleicht auch eine preiswerte Unterkunft nennen kann.

Im angrenzenden Hotel nutze ich die Gelegenheit für 1,50 Euro zu duschen. Während ich frühstücke, fängt es an zu regnen. Es ist relativ kalt, und aus Süden weht sehr starker Wind. Gegen 12 Uhr mache ich mich auf den Weg.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das ist kein gutes Radfahrwetter heute. Es regnet immer wieder, und wenn es nicht regnet ist es zu warm im Regenzeug. Dann wird der Wind wieder zu stark zum Fahren. Dreimal schiebt mich eine Windböe weit auf die Straße, zweimal als Autos von hinten kommen.

Снова слишком сильный ветер. Это скорее шторм чем ветер. Это опасно: Три раза ветер веет меня налево, два раза, когда автомобили ехали сзади.

Очень часто идёт дождь, и если нет дождя, слишком тепло в непромокаемой одежде.

The wind is too strong again. It’s more like a storm than wind. It’s dangerous: Three times the wind pushed me to the left, two times when cars came from behind.

Often it is raining, and if it is not raining, it is too warm in the rainwear.

 

 

 

 

 

 

Eine schöne Abwechslung in der dünn besiedelten Gegend sind ein Dorf, Verkaufsstände am Straßenrand und ein Fluss, der nicht ausgetrocknet ist:

Хорошо для разнообразия что в этой малонаселённой местности есть деревня, и река, которая еще не испарилась.

Nice for a change that in this sparsely populated area there is a village, some kerb dealing and a river which has not dried up.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gegen 15:30 Uhr liegt ein kleines Cafe am Weg. Ich bin froh aus dem Wind rauszukommen, auch wenn es zunehmend unwahrscheinlich wird Karaganda noch am frühen Abend zu erreichen. Dabei sind es nur ungefähr 40 km heute.

Nach kurzer Zeit kommen ein paar Leute zum Renovieren in den kleinen Raum. Sie fangen an Decke und Wände abzuwaschen. Auf dem Tisch hinter mir kippt ein Eimer mit Waschwasser um. Knapp an mir vorbei. Das war auch besser so, ich habe doch im Cafe mein Regenzeug nicht an :-) . Irgendwann wird es zu ungemütlich. Nach einer Stunde Pause setze ich mal dem Sturm wieder aus.

Es ist wieder sehr Bedauerlich, dass ich nichts dabei habe, um die Windgeschwindigkeit zu messen. Als Windrichtungsanzeiger eignete sich das Klopapier, das jemand wahrscheinlich extra für diesen Zweck hier ausgelegt hat:

Жаль что я не могу измерить скорость ветра. Когда я фотографировал этот фотографии ветер сдёрнул часть моего бакажа из багажника, и я почти потерял дождевую куртку.

Сегодня я проехал 58 километров, и это заняло 11 часов.

It’s too bad that I cannot measure the speed of the wind. When I took this photo the wind pulled a part of my luggage from the carrier and I almost lost my raincoat.

Today I only travelled 58 kilometers and it took me 11 hours.

 

 

Als sich bei diesem Foto die Kamerasoftware aufhängt und ich den Defekt nur beheben kann, indem ich kurz den Akku herausnehme, reißt eine Windböe die Plastiktüte vom Gepäckträger unter den Spanngurten weg. Die Spanngurte sind recht stramm, und normalerweise verrutscht die Tüte nicht. Seit ich das Zelt in der roten Tasche auf dem Gepäckträger transportiere, brauche ich die Tüte leider wieder für alles, an das ich unterwegs schnell rankommen möchte, ohne groß abzupacken. Dazu gehören Lebensmittel, Regenzeug usw. Die Regenjacke konnte ich gerade noch retten, bevor sie der Wind mit in die Steppe genommen hätte.

(Übrigens hat das Zelt keine neuen Löcher bekommen, seit ich es in der Tasche transportiere, und nicht mehr in einer der hinteren Gepäcktaschen. Ich nehme an, dass das Zelt in der Gepäcktasche zu viel Bewegung hatte und die Haken und Reißverschlüsse des Zelts den Zeltstoff durchscheuern. Dadurch steht der schöne Platz aber nun nicht mehr für die Sachen zu Verfügung, die ich griffbereit haben möchte. Daher, trotz Anhänger, also wieder Spanngurte und Plastiktüte.)

Als der nächste Regen kommt erreiche ich gerade noch eine Baustelle und stelle mich dort unter. Hier entsteht eine neue Tankstelle. Es ist genau ein Arbeiter dort. Ob er nur das Baumaterial bewacht oder dort arbeitet finde ich nicht heraus. Der Mann bietet mir Tee an, den ich natürlich gerne annehme. Also sitzen wir im halbfertigen Gebäude auf umgedrehten Eimern und unterhalten uns. Er besteht auch darauf, mir etwas von seinem Essen abzugeben. Dafür schockt er mich mit der Auskunft, dass es bis Karaganda noch knapp 20 km sind. Ich hatte mit deutlich weniger gerechnet. Ein erheblicher Unterschied, wenn man bedenkt, dass ich heute mal wieder mit vier km/h unterwegs bin. ( + 4 km/h, um genau zu sein. Immerhin: Es geht vorwärts).

Den Regen aussitzen zu wollen klappt nicht. Irgendwann fahre ich im Regenzeug weiter.

Die Straße teilt sich bald. Links geht es nach Karaganda, rechts nach Almaty. Ich will auf der Straße nach Almaty noch etwa 700 km weit fahren. Auf der Karte sah es so aus, als käme ich durch Karaganda durch. Jetzt muss ich mich wohl entscheiden, ob es sich überhaupt noch lohnt nach Karaganda reinzufahren oder ob ich auf der Straße nach Almaty bleibe. In einem nahegelegenen Hotel frage ich zunächst nach dem Zimmerpreis, der mir mit 30 Euro allerdings zu hoch ist. Zwei Mitarbeiter geben sich viel Mühe mir anhand ihres Smartphone-Navis einen Plan zu malen. Aus ihrer Sicht ist der Weg über Karaganda ohnehin der einzig mögliche, da die Strecke Richtung Almaty durch eine Baustelle an einer Brücke nicht befahrbar ist. Davon hatte auch schon der Baustellenarbeiter gesprochen. Ich kann es nur nicht ganz nachvollziehen, da in Richtung Almaty auch viele Autos unterwegs sind. Wie machen die das denn? Wie auch immer, ich entscheide mich, dem Plan zu folgen. Es geht steil bergab und ich habe einen schönen Ausblick ins Tal, auf die Lichter des nächtlichen Karaganda.

Bald kommen die ersten Häuser und kleine Läden…. Und dann wird es wieder dunkel. Unten angekommen ist nichts mehr zu sehen. Nach einer Stunde kommt eine Kreuzung, an der es nur nach links oder rechts geht. Dem liebevoll gezeichneten Plan nach, muss ich nun nach rechts. Dem Schild nach, nach links. Ich fahre „planmäßig“. Die Arbeit, die sich die beiden gemacht haben, soll schließlich nicht umsonst gewesen sein.

Die nächste Kreuzung, die auf dem Plan eingezeichnet ist, kommt nicht. Stattdessen stoße ich wieder auf die Trasse nach Almaty. Ich beschließe nun endgültig Karaganda auszulassen und direkt weiterzufahren. An einer Tankstelle hinter einem Kreisverkehr erkundige ich mich, ob noch Cafes, Unterkünfte oder weitere Tankstellen auf dem Weg liegen. Da dies nicht der Fall ist, baue ich neben der Tankstelle das Zelt auf, hole mir noch Bier und beende den Tag gegen Mitternacht. In 11 Stunden habe ich heute 58 km geschafft.

 

15.09.2012 (Samstag)

Der Handywecker steht auf 10 Uhr. Nach dem anstrengenden Tag gestern werde ich davon nicht wach und schlafe bis 11:30 Uhr. Es ist sehr windig, aber die Richtung ist günstig. Richtig wach werde ich nur, weil mein Reifen Luft braucht. Reifen aufpumpen geht an der Tankstelle leider nicht, also zerlege ich zunächst die teure Luftpumpe, die ich vor gut einem Jahr gekauft habe. Die kleine Hightech-Pumpe pumpt beim Zusammendrücken und beim Auseinanderziehen. Wenn sie pumpt. Aber das macht sie im Gegensatz zu preiswerten Luftpumpen eben nur ein Jahr lang. Nach einiger Zeit geht sie halbwegs wenigstens beim Zusammendrücken wieder.

Ich fahre einen kleinen Hügel hoch und dort stehen jede Menge Cafes, Hotels, Werkstätten … . Es gibt einen Basar, gute Einfamilienhäuser und einen größeren Wohnkomplex. Ich bin doch immer wieder überrascht. An der Tankstelle, an der ich gezeltet hatte, hieß es doch, es käme zig Kilometer gar nichts mehr, nur Steppe. An einer Werkstatt kann ich nun die Reifen wieder auf den richtigen Druck aufpumpen. Der maximale Druck bei meinen Reifen beträgt 5 bar, ich fahre meistens mit 4 – 4,5.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Autohaus für chinesische Autos:

A car dealership for Chinese cars.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Bremsgummis vorne muss ich nun auch noch wechseln. Bei Regen scheinen sie sehr schnell zu verschleißen. Nach Regentagen kann ich die Bremshebel immer deutlich weiter Richtung Lenker ziehen. Die vordere Bremse hat so gut wie keine Wirkung mehr. Der Versuch die Gummis zu wechseln scheitert jedoch. Die rote Einstellschraube am Bremshebel lässt sich nicht mehr bewegen. Ohne die Halterung der Bremsgummis wieder weiter nach außen zu stellen, kann ich keine neuen Gummis einbauen. Auch die Demontage des Bremshebels hilft nicht. Das Gewinde sitzt unzugänglich im Griff. Alle Versuche es so weit zu reinigen, dass sich die Rändelmutter wieder drehen lässt scheitern. Und das bei Rückenwind. Super Wetter zum Fahren und ich stehe hier und bastel :-( . Das einzige, was mir zum Reinigen noch einfällt wäre ein Ultraschallbad. Vielleicht habe ich ja Glück, dass irgendwo in der Steppe eins rumsteht.

Снова проблемы с велосипедом. В этот раз я не мог регулировать один из тормозов. Я пытался сделать что-нибудь целых 2 часа, пока ветер и солнце не стали подходящим для езды :-( Но сейчас я должен ехать только с одним тормозом.

Again problems with the bicycle. This time I cannot adjust one of the brakes. I tried for two hours to repair it, while the wind and the sun would have been perfect for cycling :-( .  So, for the moment I have to go on with only one brake.

 

 

 

 

 

Am Spätnachmittag fahre ich dann mit einer Bremse weiter. Auf den langen Strecken wird es hoffentlich kein Problem, und ich hoffe, dass ich irgendeine Möglichkeit zur Reparatur finde, bevor ich wieder in eine Stadt komme. Der Bremsweg mit dem schweren Rad ist jetzt ziemlich lang. Und ich hoffe mal, dass mich nicht wieder irgendwelche Idioten ausbremsen, nur weil sie wissen wollen wo ich herkomme, hin will und so weiter.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Begegnung am Wegrand:

Лёгкая беседа с обочины.

Small talk by the roadside.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hoffentlich geht hier die Bremse:

DSC_0171 6

Надо надеяться, что его тормоз работает лучше, чем мой.

Hopefully his brake works better than mine.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ich fahre noch knapp 80 km. Es ist saukalt. In einer Gaststätte esse ich eine heiße Suppe und frage, ob ich dort zelten darf. Die Inhaber bieten mir an, in einem Zimmer zu schlafen, dass renoviert werden soll. Das Angebot nehme ich natürlich gerne an.

 

16.09.2012 (Sonntag)

Während ich in dem Cafe frühstücke, steht mein Fahrrad noch im Hinterhof, unsichtbar für die anderen Gäste.. Es ist interessant die Leute zu beobachten, die reinkommen. Keiner schaut sich um, steuert auf mich zu und fragt: „Ist das Ihr Rad? …“. Keiner setzt sich an meinen Tisch. Niemand, der meine Hand, in der ich die Gabel halte, auf den Tisch drückt, damit ich gefälligst ihm meine ungeteilte Aufmerksamkeit schenke, anstatt zu essen. Nein, sie kommen rein, bestellen was, setzen sich an freien Tisch, schlabbern ihr Essen rein und gehen wieder. Das ist mal richtig entspannend :-) .

Um 9:30 Uhr mache ich mich auf den Weg. Es ist sehr kalt.

Der starke Westwind erschwert das Fahren wieder, allerdings nicht so extrem wie vorgestern.

Auf manchen Abschnitten kommen im Abstand von 500 Metern Feldern mit künstlichen Bodenunebenheiten. Mit dem Fahrrad ist es zu unangenehm darauf zu fahren. Ich weiche lieber jedes Mal auf den unbefestigten Seitenstreifen aus.

Искусственные неровности. 

Artificial unevenness.

 

 

 

 

 

 

 

 

Ob die Rüttelstellen helfen, die Autofahrer wach zu halten? Bei diesem LKW bin ich mir nicht sicher, ob er während der Fahrt von der Fahrbahn abgekommen ist, oder ob er beim Parken umgekippt ist. Umgekippte LKW sind öfter zu sehen.

 

 

I am not sure, whether the truck left the road (maybe the driver fell asleep) or the truck tipped over after stopping at the roadside. Both seem to happen quite often on these highways.

 

 

 

 

 

Auf den Fluss weist ein Schild in drei Sprache hin, Kasachisch, Russisch und Englisch:

Знак обьявления реки на трёх языках …

A sign announces a river in three languages …

 

 

 

 

 

 

 

Fehlt nur noch das Wasser:

Наполните реку водой.

OK: Charge the river!

 

 

 

 

 

 

 

Alyona hatte in Astana gesagt, dass es in diesem Jahr ein besonders trockener Sommer in der Steppe ist. Nach allem, was ich sehe, sind Flüsse, die Wasser führen hier auch wirklich eine Ausnahme. Ich hatte schon überlegt, ob man da eigentlich von „Flüssen“ sprechen kann, wo doch das Wort „Fluss“ wohl mit dem Verb „fließen“ zusammenhängt.

Alyona hatte übrigens vor, ab September für ein halbes Jahr in Deutschland zu studieren. Wenn ich mich recht erinnere in Greifswald, bin mir aber nicht sicher. Die Vorlesungen sind auf Englisch. Ich habe leider keine Foto von ihr, aber wenn ihr sie trotzdem seht, richtet bitte viele Grüße aus :-) .

Oft ist es hier ja ziemlich flach. Aber weil ich selten an Fotos denke, wenn es nichts zu sehen gibt, hier noch ein paar Berge:

Большей частью здесь довольно ровно. Но так как я редко думаю о фотосъёмке, так как там нечего видеть. Здесь я представляю вам несколько холмов.

The landscape is mostly very flat. However, I seldom think of taking photos when there is nothing to see. Here I present to you some more hills.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auch hier sind die Straßen oft deutlich höher gebaut, als die umliegende Steppe. Daher ist es oft kaum möglich, von der Straße runterzukommen. Außerdem nehme ich an, dass durch die Dämme die Windgeschwindigkeit bei Seitenwind, auf der Straße deutlich erhöht wird.

Очень часто было тяжело покинуть дорогу. Я также верю что скорость гребаного встречного ветра была выше над набережными дамбами.

It would often be difficult to leave the road. I also believe that the velocity of the xxxxxx crosswind is higher right above the embankment dam.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Um halb sieben abends komme ich an ein kleines Haus, an dem „Столовая“ steht. (Stolovaya, bedeutet in etwa „Kantine“).

В половине седьмого я вижу столовую. 70-ти летний хозяин очень добрый, он предложил поесть и сигареты за бесплатно.

Ветросиловая установка очень завараживающая. 

 

At half past six I see a small restaurant. The 70-year-old owner is very kind and offered a meal and cigarettes without charging me for it.

The wind power station is fascinating.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ich bekomme ein einfaches Essen und Zigaretten geschenkt :-) . Kurz darauf schließt das Lokal. Der 70-jährige Inhaber und seine Frau fahren in ihre Wohnung in Karaganda. Morgen ist hier geschlossen. Da bin ich gerade rechtzeitig gekommen.

Mit dem Strom aus dem Windkraftwerk wird unter anderem das Radio betrieben:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Например это обеспечивает радио энергией.

It provides, for example, the energy for a radio.

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Juli sind bereits zwei Fahrradfahrer aus China hier gewesen, auf ihrem Weg von Berlin in ihre Heimat. Der Inhaber des Cafes, dessen Namen ich mit Uali verstehe, zeigt mir ein Notizbuch, in welches die beiden Stichworte zu ihrer Tour eingetragen haben.

В Июле другие велосипедисты из Китая тоже были здесь.

In July two cyclists from China had been here on their “ridebackhome”.

 

 

 

 

 

Die Zeile mit dem www. … sagt ihm nichts. Ich versuche ihm zu erklären, dass es sich dabei um eine Internetseite handelt. Ob er mich versteht weiß ich nicht. Da ich dem Wunsch, mich auch dort einzutragen, gerne entspreche, füge jedenfalls ein weiteres www hinzu :-) .

Schlafen kann ich im Raum von zwei angestellten Hirten, die sich um das Vieh kümmern. Dort stehen drei Betten. Als die beiden kochen, kann ich mitessen. Zum Glück habe ich abends drei Falschen Bier gekauft und ich habe noch Äpfel aus Astana, so dass ich auch etwas beisteuern kann.

Die beiden freundlichen Mitarbeiter vor dem Raum, den sie heute Nacht mit mir geteilt haben:

Два работника, которые работали там ухаживая за скотом, поделились со мной комнатой прошлой ночью.

The two employees who are working there and caring for the animals shared their room with me last night.

 

 

 

 

 

 

17.09.2012 (Montag)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach dem Frühstück mit meinen Gastgebern, kümmern sich die beiden ums Vieh, und  ich mache mich um 8:30 Uhr auf den Weg.

Blick zurück – dort habe ich übernachtet:

Это место где я провёл ночь.

This is the place where I spent the night.

 

 

 

 

 

 

 

Außer dem Cafe, ein paar kleinen Nebengebäuden und den Ställen für das Vieh gibt es weit und breit nichts.

Es weht wieder ein kräftiger Wind aus Süd-West, also je nach Straßenverlauf mal mehr von vorne, mal mehr von der Seite.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Oben: Ein ziemlich großes Schild für …

Unten: … eine so kleine Straße :-) .

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Um 18:30 komme ich in Akschatau an. 80 km in 10 Stunden, wobei ich nachmittags allerdings auch Zeit mit Fotografieren und Filmen verbracht habe. Die Karte, die ich in Astana gekauft habe ist wirklich wertvoll. Sie bildet den Weg von Petropawlowsk im Norden bis Almaty im Süd-Osten ab. Noch ungefähr 440 km kann ich mich an der Karte orientieren, dann trennen sich unsere Wege. Die meisten Cafes, Hotels, Werkstätten und Tankstellen, die dort eingetragen sind gibt es tatsächlich. Ab und zu liegt auch etwas auf dem Weg, das nicht eingetragen ist.

Der Karte nach sind es 30 km bis zum nächsten Cafe, das direkt an der Straße liegt. Da kann ich auch nach Einbruch der Dämmerung noch weiterfahren und dort mein Zelt aufschlagen. Ich habe jetzt guten Rückenwind und schaffe die 30 km, mit bis zu 30 km/h, in etwas mehr als einer Stunde. Und dabei habe ich sogar noch Fotos gemacht :-) .

Вода на Земле :-) Но не достаточно чтобы принять ванну. Обычно здесь нет шанса умыться.

There is water on Earth :-) But not enough to take a bath. Usually there is no chance to wash myself.

 

 

 

 

 

Ein bisschen mehr Wasser und ich hätte gebadet. Heute ist der dritte Tag in Folge, an dem ich keine Gelegenheit finde mich zu waschen.

Salz:

Солёное.

Salt.

 

 

 

 

 

 

 

Da das erwartete Cafe doch nirgends zu finden ist, hänge ich nochmal 50 km dran. Der Wind unterstützt mich nun nicht mehr. Gegen 0:30 Uhr erreiche ich erst wieder ein Cafe. Dazwischen lag absolut gar nichts auf dem Weg. Das waren 166 km heute.

Es ist wieder deutlich wärmer geworden. Bis in die Nacht hinein bin ich in T-Shirt und kurzer Hose gefahren. Erst sehr spät hat es sich stark abgekühlt. Angekommen, bin ich dann in Jacke und Handschuhen. Die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht sind in dem kontinentalen Klima hier sehr groß.

Immer nerviger wird die Huperei. LKW und besonders Busse haben extrem laute Hupen. Zeitweise bin ich mit Lärmschutzstöpseln in den Ohren gefahren, da die Trompeten deutlich über der Schmerzgrenze liegen.

 

18.09.2012 (Dienstag)

Zelten konnte ich windgeschützt direkt vorm Cafe. Die Inhaber sind sehr nett. Und zum Frühstück gönne ich mir nochmal Lagman, Nudelsuppe. Die ist hier, im Cafe in Bektay-Ata, besonders lecker. Also, falls Ihr hier mal langkommt …

Die Karte mit dem Weg nach Almaty ist in Form einer Broschüre. Auf der linken Seite ist jeweils ein Stück des Wegs gezeichnet mit Symbolen für die Cafes und so weiter, auf der rechten Seite gibt es Informationen zur Strecke auf Russisch.

Das letzte Stück bis Almaty ist demnach überwiegend Wüste. Da ich vorher in eine andere Richtung abbiege, hoffe ich, dass ich nach der Steppe nicht auch noch durch Wüste fahre. Die Steppe ist mir zum Radfahren eigentlich langweilig genug.

Wenn ich mich nun bei Tageslicht hier umschaue, bin ich mir aber nicht so sicher, ob mir das wirklich erspart bleibt. Links ist es mit den Pflanzen schon recht dünn geworden, rechts steht fast gar nichts mehr:

Всё меньше и меньше растительности. Степь достаточно пуста. Я надеюсь мне не придётся идти через пустыню.

There are less and less plants. The steppe is actually dull enough. Mainly I hope I do not have to go through a desert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auch, wenn es beim Radfahren recht langweilig ist – Wenn man genau hinschaut, ist auch dieser Teil der Erde nicht uninteressant. Es gibt sogar eine Menge blühender Pflanzen. Allerdings sind die Blüten so klein, dass man sie im Vorbeifahren praktisch nicht sieht.

Даже при том, что это довольно скучно, ехать на велосипеде, степь становится более интересной, когда вы более внимательно присматриваетесь к нему. Там есть много цветущих растений.

Even though it is quite boring when riding the bicycle, the steppe is becoming more interesting when you have a close look to it. There are a lot of plants in bloom.

 

 

 

 

 

Die roten „Teppiche“ im Detail, zum Größenvergleich mit Taschenmesser:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die wenigen, weißen Punkte in dem Grünzeug am Straßenrand, sind auch Blüten (siehe zweites Foto unten):

Маленькие белые точки это тоже цветочки (посмотрите второе фото внизу).

The white points are also blossoms (see second photo below).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Und wenn man hier genauer hinschaut …

Если вы посмотрите…

And if you look at this …

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

… erkennt man, dass diese Pflanze geradezu nur aus Blüten besteht:

… вы увидите растения покрытые цветками.

… you will see that this plant is covered with blossoms.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bei dem Wind ist es gar nicht so einfach, eine scharfe Nahaufnahme der Blüten zu machen.

Wieder taucht mitten im Nichts eine Behausung auf. Tatsächlich wohnt dort jemand. Während ich mich umschaue, öffnet sich kurz die Tür von dem containerähnlichen Haus rechts. Jemand schaut kurz heraus und schließt die Tür gleich wieder.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Er scheint Besuch zu bekommen. Aber nein … der Besuch gilt mir. Sechs junge Leute, die aus einem PKW steigen wollen Fotos mit mir und meinem Fahrrad machen. OK, dann möchte ich aber auch eins:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Huperei wird immer nerviger. Ich fahre jetzt praktisch nur noch mit Stöpseln in den Ohren. Leider ist es besonders schlimm, wenn ich halte. Wenn ich zum Essen mal eine Sitzgelegenheit auf einer Leitplanke nutze, geht das auch nur noch mit Lärmschutz, was nun grad beim Kauen nicht sehr angenehm ist. Genauso wenig kann ich halbwegs ungestört fotografieren. Sie wollen eben einfach grüßen und gesehen werden. Und, wie mir später klar wird, wollen sie unbedingt von mir fotografiert werden, wenn sie mich mit der Kamera sehen. Wenn man den Fahrern doch nur irgendwie vermitteln könnte, dass eine Hupe zwar genauso dämlich ist, wie der „Gefällt-mir-Button“, aber eben nicht dasselbe.

Am frühen Abend erreiche ich eine Reihe von Cafes und ähnlichem auf der Höhe von Balchasch. Laut Karte sind es noch knapp 50 km bis zum nächsten Cafe. Ich könnte vielleicht hier nach einer festen Unterkunft schauen, um mal wieder zu duschen. Zunächst gehe ich in ein Cafe und bestelle einen Tee. Im selben Moment in dem ich mich setze, kommt auch schon wieder einer von den Neugierigen dazu. Durch Ignorieren erreiche ich es, dass er sich endlich woanders hinsetzt. Wobei er den Platz hinter mir nimmt. Ihn jetzt im Rücken zu haben finde ich auch nicht so toll.

Draußen bückt sich jemand an meinem Rad und scheint sich mit meinen Gepäcktaschen zu beschäftigen. Ich gehe daher mit meiner Teetasse raus, stelle sie auf eine Bank und versuche den Mann davon abzubringen an meinem Fahrrad herumzufummeln. Er verdreht die Einstellschrauben von den Schaltzügen der Nabenschaltung, die sich nahe an der Hinterradachse befinden, weil er herausfinden möchte, wozu sie da sind. Ausgerechnet das. Ich versuche seit über 3500 km die Schaltung so hinzubekommen, dass sich alle Gänge sauber einlegen lassen. Der Idiot ist nicht vom Rad wegzubekommen. Jedesmal, wenn ich zu meinem Tee zurückgehe, hockt er wieder neben dem Rad und will an den Schrauben drehen.. Alle Unfreundlichkeit, Anschreien und selbst, ihn an seiner Jacke vom Rad wegzuziehen, helfen nicht. Er verhält sich wie ein Hund der nicht gehorchen will. Schade, dass ich keine Hundeleine dabei habe. Der Neugierige aus dem Cafe kommt auch noch dazu und will sich mit mir unterhalten. Dem Schraubendreher würde ich am liebsten die Finger brechen. Er ist völlig versessen auf die Schrauben. Schließlich geht in dem Gerangel die Teetasse kaputt. Noch bevor ich zum Trinken gekommen bin :-(

Abreise.

Ich fahre noch die 50 km bis Gul’schat weiter. Zuletzt geht es noch ein gutes Stück bergauf. Nach den 166 km gestern und 123 heute bin ich froh, als ich angekommen bin. Nur leider finde ich das Cafe nicht, dass es laut Karte geben sollte. Außerdem scheint Gul’schat äußerst klein zu sein. Ich fahre noch ein Stück weiter, um zu sehen, ob das Cafe vielleicht hinter dem Ortsausgang ist. Leider geht es hier begab. An einem Haus an dem Licht brennt schaue ich, ob es ein Geschäft ist. Eine Frau die kurz herausschaut, meint es gäbe kein Geschäft in Gul’schat, und das Cafe soll oben auf dem Berg sein, wo ich herkam. Also fahre ich nochmal hoch. Dort stand ein unbeleuchtetes Haus etwas abseits der Straße. Vielleicht haben sie schon geschlossen.

Tatsächlich ist es ein geschlossenes Cafe auf dessen Parkplatz inzwischen drei LKW stehen. Die Fahrer sitzen in einem LKW zusammen und laden mich auf einen Tee ein. Sie vermuten, dass das Cafe morgen früh geöffnet hat, bleiben selbst aber nur kurz für eine Pause. Einer der Fahrer ist sich sicher, dass in weiteren 40 km noch ein Cafe auf dem Weg liegt. Das freut mich, da auf meiner Karte für die nächsten 80 km gar nichts eingetragen ist. Ich habe nur noch 1,5 Liter Wasser, keine anderen Getränke. Für 80 km etwas wenig. Sie raten mir dringend davon ab im Dunkeln zu fahren, wegen Wölfen und Schakalen. In Russland habe ich solche Warnungen ja ignoriert. Leider weiß ich nicht, ob die Angst vor Wölfen hier genauso einzuschätzen ist. Und was Schakale sind, beziehungsweise, wie sie einzuschätzen sind, weiß ich gar nicht.

Die LKW-Fahrer fahren weiter, und ich baue mein Zelt hinter dem Cafe in einer windgeschützten Ecke auf.

Eine Gelegenheit mich zu waschen hatte ich heute wieder nicht. In meinem Notizbuch steht „seit 12.09.12“, was nicht ganz stimmt, aber es wird langsam unangenehm. Die Klamotten kleben auf der Haut. Vor allem stört es mich an den Füßen, da ich beim Fahren gerne die Fahrradschuhe trage. Den ganzen Tag geschlossene Schuhe, ohne mir die Füße zu waschen kommt nicht gut. Ich mag mit den Füßen schon kaum noch in meinen Schlafsack … Und frisches Gras, in dem ich mal Barfuß gehen könnte, gibt es hier ja auch nicht. Nur Staub, Müll und Scherben, dorniges Gestrüpp.

 

19.09.2012 (Mittwoch)

In meinem Kulturbeutel finden sich zum Glück noch saubere Ohrstöpsel. Ich glaube, drei Paar hatte ich eingepackt. Da hier alles sehr staubig ist, sind die Hände praktisch nie sauber. Die gebrauchten Stöpsel sind ja auch nicht fettfrei. Wenn ich sie zusammendrehe werden sie immer dunkler. Inzwischen sind sie nicht mehr gelb, sondern schwarz.

Das Cafe hat jetzt geöffnet. Es gibt nur Nudelsuppe :-( . Die nervt langsam auch. Eigentlich nervt alles: Der Wind, die Neugierigen, der Wassermangel, die Eintönigkeit der Landschaft, die Polizeikontrollen, das ständige Angehupt-werden und die Nudelsuppen mit Weißbrot. Das mal mehr, mal weniger Nudeln drin sind ist keine Abwechslung, die es besser machen würde. Im Gegenteil: Sind viele Nudeln drin, ist es erst recht Nudelsuppe, sind wenige drin ist, sie zu dünn. Wenigstens kann ich mich mit Getränken für den Weg versorgen.

Dort, wo es gestern noch so schön bergab ging, muss ich jetzt kräftig treten. Solange wie ich jetzt schon gegen den Wind radel, müsste ich eigentlich bald an der Quelle sein. Und die wird zugemauert, soviel steht fest.

Es ist erstaunlich, dass Gul’schat überhaupt auf meinen Karten eingetragen ist. Ein paar Häuser, nicht wenige davon verfallen, mehr finde ich nicht:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wenige Kilometer weiter kommt eine kleine Oase. In einer Senke wachsen richtig grüne Pflanzen:

Оазис.

Oasis.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Es scheint ein belebter Platz zu sein. Überall sind etwa faustgroße Löcher im Boden.

Когда Алёна, биолог, которую я встретил в Астане, видела эти фотографии, она написала: “Я видела фото, которые ты сделал около Алма-Аты, когда ты пытался предположить, какое животное это – это – фактически колония Большой Песчанки! Будьте осторожны, они – перено́счики заразы в нашем регионе!”

When Alyona, a biologist, whom I met in Astana, saw these photos, she wrote: “I saw the picture of boreholes you’ve made near Almaty, when you try to guess which animal it is – this is actually a colony of the Great Gerbil! Be careful though, they are transmitters of a pest in our region!”

German / Latin: Große Rennmaus (Rhombomys opimus)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Tiere gibt es auch. Sie haben sich allerdings gut getarnt. Wenn sie sich nicht bewegt hätten, hätte ich sie übersehen:

Вы видете животное на этой фотографии?

Do you see the animal in this photo?

 

 

 

 

 

 

 

 

Und? Habt Ihr es gesehen? :-) .           Видете?           Did you see it? :-)

 

 

 

 

 

 

Ja?                                                                Да?                                      Yes?

 

 

 

 

 

 

 

 

Nein?                                                              Нет?                                   No?

 

 

 

 

 

 

 

Ich denke, man sieht es, aber für alle Fälle:       Хорошо. Вот оно.     OK. Here it is.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zwischendurch habe ich wieder so komischen Straßenbelag, der aussieht, als hätte man kleine Steinchen auf eine ehemals gute Straße geklebt. Der Asphalt dadrunter wäre super, wenn die Steinfetzen nicht darauf wären. Nur in den Spurrillen kann man gut fahren, wenn es der Verkehr zulässt. Ich hatte solchen Asphalt schon öfter und frage mich, wie er zustande kommt. Fährt sich wirklich schlecht.

Плохая дорога для велосипедиста.

Bad road for a cyclist.

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Cafe, von dem die LKW-Fahrer gestern sprachen, kommt tatsächlich nach 45 km. Die Betreiberin will aber gerade schließen. Zwei hartgekochte Eier und ein Stück Brot, mehr ist nicht zu bekommen, was nicht so tragisch ist, ich habe noch Reserven, und Getränke konnte ich ja heute Morgen kaufen.

Nach Sonnenuntergang ist endlich der Wind weg, der tagsüber ohne die kleinste Pause wehte. Und mit einer Stärke, dass es schon sehr störend wurde, mit welcher Kraft er mir die ganze Zeit die Sonnenbrille ins Gesicht drückt. Von der Handhabung des Klopapiers bei diesem Wetter will ich gar nicht schreiben. Ich hätte das besser vor der Tour im Windkanal geübt.

In  Saryschagan müsste es eine feste Unterkunft geben. Ich möchte einfach nur noch duschen, oder mich zumindest waschen. Vor Saryschagan kommt jedoch erst mal die nächste Polizeikontrolle. Die zweite heute. Nach Passkontrolle und den üblichen Fragen, kann ich mir eine Ewigkeit anhören, dass ich mich wegen der Wölfe nachts nicht draußen aufhalten soll. Auf meine Fragen bezüglich einer Unterkunft gehen sie nicht ein. Ich weiß ja nicht, wie empfindlich die Polizisten hier sind, aber ich kann es mir nicht verkneifen, ihnen zu sagen, dass ich schon gar nicht mehr draußen wäre, wenn sie mich nicht aufhalten würden. Auch darauf reagieren sie nicht.

Mehr Glück habe ich im ersten Cafe, das an der Straße liegt. Ich schaffe es tatsächlich, mich hinzusetzen und einen Tee zu trinken, ohne angesprochen  zu werden. Gegenüber gibt es ein Hotel, aber ohne fließend Wasser. Die Tankstelle gegenüber wirbt sogar mit einer Duschgelegenheit, allerdings erfahre ich dort, dass die Dusche nicht funktioniert. Ob es Wassermangel ist, oder ein technisches Problem weiß ich nicht.

Außer Betrieb:

Душ не работает :-( Уже 6 дней у меня не было восможности умыться.

Out of order :-(  For a period of 6 days I had no chance to wash myself.

 

 

 

 

 

 

 

 

Weiter stadteinwärts, hinter der Moschee links, soll es ein weiteres Hotel geben. Mit Dusche. Erstaunlicherweise kennt keiner, den ich frage die Moschee. Als ich schon durch den Ort durch bin und in einem kleinen Cafe nochmal frage, sagt mir die Verkäuferin, dass auf dem weiteren Weg kein Hotel, oder Ähnliches mehr kommt. Die Moschee kennt sie auch nicht. Irgendwie verstehe ich die Leute hier nicht. Das nächste Haus ist zwar etwa 300 Meter entfernt, aber es IST ein Hotel mit einigen Zimmern, und Restaurantbetrieb. Und wie ich morgen sehen werde, liegt die Moschee direkt an der Durchgangsstraße. Ich hatte sie nur im Dunkeln nicht gesehen. Wie kann es sein, dass keiner weiß, wo die ist?

OK, in der Unterkunft kann ich endlich duschen :-) .

 

20.09.2012 (Donnerstag)

Ich gönne mir einen Tag Pause. Meine Wäsche lasse ich waschen und nehme mir in der Zwischenzeit meine Bremse vor. Das Wasser kommt nur sehr langsam aus dem Hahn, also mal kräftig den Griff ausspülen geht so auch nicht. Der demontierte Bremsgriff passt immerhin in ein leeres Marmeladenglas. Ich schüttele ihn dort mehrmals lange in warmem Seifenwasser und baue ihn jeweils danach wieder ein um mehr Halt zu haben. Einen Schraubstock habe ich hier auch nicht. Schließlich gelingt es, den Gewindebolzen in die andere Richtung zu drehen, bis er ganz aus der Plastik-Rändelmutter heraus ist. Die rote Rändelmutter ist komplett aus Kunststoff, abgespantes Material sitzt im Gewinde vom Bolzen. Ob sich die Mutter verabschiedet, weil ich mit so viel Kraft dabei gehen musste, oder ob es so viel Kraft gekostet hat, weil sich das Kunststoffgewinde ohnehin schon auflöst weiß ich nicht.  Jedenfalls bekomme ich es jetzt soweit hin, dass ich die Bremsgummis erneuern kann, und die Bremse zunächst wieder funktioniert.

г. Сарышаган, в гостинице.

Два работника гостиницы стирают мою одежду.

В это время я успешно отремонтировал тормоз моего велосипеда.

Two employees of the guesthouse washed my clothes.

In the meantime I repaired successfully the brake of my bicycle.

 

 

 

 

 

 

Bild oben: Zwei Mitarbeiterinnen versuchen die Waschmaschine in Betrieb zu nehmen. Da es ihnen nicht gelingt waschen sie meine Wäsche von Hand. Ich bin froh, mich in der Zeit um andere Dinge kümmern zu können. Der SSD-Speicher vom Laptop ist voll, mein 56 GByte-USB-Stick lässt sich auch nur noch schließen, wenn ich mich draufsetze ;-) . Es wird bald Zeit ein paar Fotos zu löschen. Wobei ich das Aussortieren lieber in Ruhe im Winter machen möchte. Zumindest die Kameraspeicher müssen aber wieder – im wahrsten Sinne des Wortes – aufnahmebereit sein. Akkus müssen geladen werden.

Dann fahre ich noch Einkaufen. Es scheint gutes Brot hier zu geben und Äpfel. Dazu fülle ich meinen Keksvorrat für unterwegs auf. Kekse sind gut. Haltbar, vertragen Wärme, werden nicht matschig, schmecken immer. Man kann sie sogar essen, wenn es stürmt.

Ein paar von den vielen kleinen Läden, die es hier gibt:

Маленькие магазины в Сарышагане.

Small shops in Saryshagan.

 

 

 

 

Die Moschee, von der mir gestern Abend niemand sagen konnte, wo sie ist, liegt direkt an der Hauptstraße:

Мечеть.

A mosque.

 

 

 

 

 

 

 

Foto unten:

1. Das Cafe, in dem man mir sagte, auf dem weiteren Weg käme kein Hotel mehr.

2. Das Hotel.

1. В кафе мне сказали что по близости нет гостиницы.

2. Гостиница.

 

1. In this cafe I was told there is no guesthouse on the way.

2. The guesthouse.

 

 

Nachmittags rasiere ich mich :-) . Drei Fotos, die ich vorher noch schnell mache, überzeugen nicht so. Einmal habe ich nicht auf den Hintergrund geachtet, die anderen beiden werden trotz stehender Kamera und Autofokus unscharf. Ingenieure sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.

Последнее фото до бритья.

Last photo before shaving.

 

 

 

 

 

 

Heute kommt der Wind von Norden. Da hätte ich Rückenwind. Aber brauche ich diesen Tag nun wirklich mal als freien Tag.

Als ich beim Fotos bearbeiten kurz aus dem Speisesaal gehe, setzt sich ein Mitarbeiter an meinen Laptop. Gestern Abend hatte er sich immer wieder erklären lassen wo ich herkomme, hinwill und so weiter. Ich hatte jetzt vergessen, den Laptop zu sperren. Nun sucht er meine Fotos von Usbekistan. Was für ein Glück, dass ich heute frei habe… Ich bin ganz ruhig … ommmmm. Geduldig erkläre ich ihm, dass ich noch nie in Usbekistan war.

Gegen 22 Uhr weht abends stürmischer Wind aus Norden. Aber ich soll ja nachts nichts fahren :-) . Der Inhaber hier meint, dass der Wind auch morgen aus Norden kommt, und er ist sich sicher, dass es nicht regnen wird. Immerhin hat es sich stark abgekühlt und es ziehen Wolken auf. Wäre ja schön, wenn er recht behält.

Die Wettervorhersage im Fernsehen sagt Tagestemperaturen von 12 °C für Astana im Norden und 27 °C für Schymkent im Süden voraus. Also, auch wenn die Bremse jetzt wieder funktioniert … besser, ich nutze sie nicht.

 

21.09.2012 (Freitag)

Das Wasser in der Dusche läuft nur ein wenig, wenn man den Duschkopf fast auf den Boden hält. Haare waschen im einarmigen Handstand :-) .

Narisa aus Usbekistan, die hier arbeitet ist sehr nett. Leider spricht sie kaum Russisch, wenn ich es richtig verstehe, deutlich weniger als ich.

Наргиса из Узбекистана работает здесь в гостинице. Она очень симпатичная.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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